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»die genauigkeit der worte schwindet« (…) »wir erfinden eine neue art von schweigen«. (…)
Das sind die hellsichtigsten Verse in »unbekannt verzogen«, Westermanns Debütband. Zeilen, die es anzukreiden scheinen, daß wir Selbstaussagen nur noch um die Ecke tätigen und die Sachverhalte im selben Zug noch kaschieren. »wie schwer sind dir die lider, / wie anmutslos erscheint an diesem morgen dir/ das licht.« Kann heißen: Die Realität wird von uns als nicht mehr so spannend und sublim empfunden wie das, was sich draus machen läßt. Ist das als Kritik zu verstehen? Daran, daß wir lieber nur noch Vages von uns geben und das Wahrgenommene sprachlich verklären als hätten wir einen Fotofilter über die Dinge geschoben?
Wahrscheinlich nicht. Es sind aber immerhin Verse, die den Modus operandi der Westermannschen Lyrik direkt bezeichnen. Sie bilden jedoch die Ausnahme. Statt Tiefe und Reflexion regieren Suggestion, Anspielung, Verklärung in dem Band, der jetzt im Wiesbadener Verlag Luxbooks erschienen ist. Nicht ganz zufällig bedient sich die Metaphorik häufig aus dem Bereich des Olfaktorischen: Es »riecht nach putz / und all der zeit im teppich, / riecht nach seife, riecht nach kaffee/ und nach dreck«. Westermann bedient sich einer Poetik des Flüchtigen und streut nur hier und dort Realitätseffekte ein, die schwammig mit Bedeutung aufgeladen werden: »an die nase dringt ein hauch von unbekannt verzogen«. Aufgeräumte Gedichte, die sich ein aalglattes Pathos leisten. / Kristoffer Cornils, junge Welt 14.1.
Levin Westermann: unbekannt verzogen. Luxbooks, Wiesbaden 2012, 113 Seiten, 22 Euro
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