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Veröffentlicht am 5. August 2010 von lyrikzeitung
Nicht nur zur Wirklichkeit hat der Dichter ein allergisches Verhältnis, auch den überlieferten Schatz von Weltweisheit, vom Kindervers bis zur absoluten Poesie, wehrt er fuchtelnd ab wie einen Mückenschwarm. In einem ‚Psalm‘ heißt es ‚Vater, schließ den Weltraum / Turnsaal zu, abends wenn ich schlafen / geh, vierzehn Engel bei mir stehn / dreizehn mit Brüsten voll Milch / und Honig, wer singt das Lied / wer nimmt den Hut, es klingt / nach rostigen Klingen, Solingen rostfrei / es klingt‘.
Die tiefe Verstörtheit der ersten Gedichte des Bandes lässt in den folgenden Kapiteln zwar nach, und es gibt viele, bei denen die scheinbar surreale Technik nicht nur Sarkasmus, sondern auch Humor vermittelt wie in ‚Die Holledau, die blöde‘. Aber wie leicht schlägt das um wie in ‚Sommerabend‘ mit einem Vers von Rilke über den Panther: Er reißt einen Abgrund von Nihilismus auf, der sich auch hinter einer sarkastischen Geschmacklosigkeit nicht mehr verbergen lässt: ‚was macht das schon für einen Unterschied, verschwinden oder / herausgestrichen werden aus einem Plan / der nicht aufgeht / nur die lange schweigende Mehrheit der auf dem Grund / der Flüsse röchelnden Fische, die den Rochen voll / und hinter tausend Hefeweizen keine Welt‘. / HANS-HERBERT RÄKEL, SZ 4.8.
TOM SCHULZ: Kanon vor dem Verschwinden. Gedichte. Berlin Verlag, Berlin 2009. 96 Seiten, 16,90 Euro.
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Hans-Herbert Räkel, Tom Schulz
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