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Herzliche Höreinladung
ORF- Kunstradio, Sonntag, 6. 6. 2010, 23:03 Uhr
In der Reihe „Literatur als Radiokunst“ im Rahmen des ORF- „Kunstradio“ sind mit zwei ungewöhnlichen Autoren zwei singuläre Annäherungen an das, was man „die Literatur“ nennt, zu entdecken. Beide veröffentlichen unter Pseudonym, beide haben sich eine nicht-narrative Poetik erarbeitet. Während Stan Lafleur seit Jahr und Tag den Rhein bereist und ein performatives Kondensat seiner Erfahrungen bietet, steht bei der Künstlerin elffriede.interdiszplinäre.aufzeichensysteme das Zeichnen mit Feder und Tusche als motorischer und wortkreativer Akt im Mittelpunkt ihrer poetischen Findungen.
Beide haben in ihrem jeweiligen performativen Tun eine Poetik erarbeitet, die – aus verschiedenen Stimmen und Sounds hervorgehend – nicht linear auf ein narratives Erzählkonzept zielen, sondern eine nonlineare, polyphone Dramaturgie entwickeln. Dass aus solchen Konzepten im Radio nicht notwendig eine verkopfte, schwer verständliche Message verlautet, dankt sich der Erfahrung dem Witz des beteiligten Autoren.
So stellt elffriede.interdisziplinäre.aufzeichnensysteme in ihrem Stück “schrei zum hummel“ in ausgetüftelter Choreographie zunächst die verschiedenen Protagonisten auf den Plan: Von dem Metatext der “Expertenmeinungen” (hier formuliert sich die Poetologie der Unterfangens), grenzt sich die “nach innen gewendete” Dichterstimme distinkt ab.
Darüber hinaus gibt die auf dem Papier kratzende Tuschefeder den Konterpart zu Dichterstimme und Metatext. Lange, schweifende Linien leiten das Stück ein und bringen es zum Finale; sachtes Kratzen und Schaben geben apartes Klangmaterial ab. Man täusche sich indes NICHT in der Bedeutung, welche dieses Federlesen für die Poetik der Künstlerin darstellt: erst war die Zeichnung, die wie eine den gesamten Körper anspannende Meditation ihre kratzige Stimme erhob, bevor sich allmählich zu schreibende und zu sprechende Worte formten.
Seit Jahr und Tag bereist er den Rhein um an den verschiedensten Orten Wahrnehmungsproben zu sammeln, die er in seinem Weblog “rheinsein” in allen möglichen Genres, Sprachregistern und einem gehörigen Schuss Witz präsentiert.
Für seine Produktion im Rahmen der Reihe “Literatur als Radiokunst” hat Lafleur eine Art Natur-, Milieu- und Sprachstudie aus dem hochalpinen “Alpenrhein” mitgebracht und damit eine satirische Mélange aus teils erfundenen, teils modifizierten Sagen, welche einerseits die alpine Mythologie, anderseits die hochindustrialisierte Tourismusindustrie inhaltlich wie formal ironisieren. Mit seiner enorm variablen Stimme, einem genussvoll schönbösen Text und sowie einer einleuchtenden Rondo- Dramaturgie korrodiert Stan Lafleur virtuos die pathetische Pracht der Alpen.
(Christiane Zintzen , Kuratorin)
elffriede.interdisziplinäre.aufzeichnensysteme: schrei zum hummel (15:03) – Text + Stimme: elffriede.interdisziplinäre.aufzeichnensysteme, Ton: Robert Pavlecka
Stan Lafleur: Im Alpenrhein (15:30) – Text + Stimme: Stan Lafleur, Ton: Martin Leitner
Prokuktionsnotizen elffriede.interdisziplinäre.aufzeichnensysteme
Produktionsnotizen Stan Lafleur
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