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Wie man das nennen soll, was Robert Schindels (Über)leben ausmacht? Glück, Zufall, Fügung? Er ist der Johann Ohneland der deutschsprachigen Literatur, wurde als Kind jüdischer Kommunisten 1944 in Bad Hall / Oberösterreich geboren. Schindel war noch nicht ein Jahr alt, als man ihn von seiner Mutter trennte, „von einer Stunde auf die andere“, sagt er rückblickend in einem Interview. Unter falschem Namen wurde das Baby in ein nationalsozialistisches Kinderheim, „eine dunkle Kindergrippe“ (Schindel), gebracht. Seine Mutter überlebte das Konzentrationslager Auschwitz und fand ihr Kind nach Kriegsende wieder; sein Vater war im März 1945 in Dachau hingerichtet worden. 1986 debütierte der Dichter Robert Schindel bei Suhrkamp mit dem Band „Ohneland – Gedichte vom Holz der Paradeiserbäume“. …
„Die Wörter suchen seine Nähe. Er tut ihnen gut und stärkt ihr Selbstbewußtsein. Er dreht sie ein wenig oder streckt sie und stellt sie in neue Zusammenhänge, und dann wischt er mit dem Ärmel drüber und behaucht sie zwei- oder dreimal und poliert einmal nach“, das hat der österreichische Chansonnier und Aktionskünstler André Heller über Schindel gesagt und launig-ahnungsvoll hinzugefügt, daß wohl „die Bearbeitung einer Schrammelmelodie durch Arnold Schönberg“ herauskäme, wollte man versuchen, Schindel in Musik zu übertragen. …
Wien, das Schindel eine „Vergessenshauptstadt“ nennt, ist zugleich die „Wortheimat“ des Dichters. Dort, in der Schüttelstraße der Leopoldstadt steht die „Schüttelhütte“, wie er seine Wohnung nennt, und dort gibt es auch das „Zartl“, Stammcafe des Autors. Ohne das Wienerisch-Pointierte ist seine Dichtung nicht denkbar. Seinen Hang zum Wörterfinden- und Erfinden kann man beinahe jedem Gedicht ablesen. …
Was hier noch nicht erwähnt wurde: Robert Schindel schreibt auch wunderschön sinnenfrohe Liebesgedichte, die vor einigen Jahren bei Insel unter dem Titel „Zwischen dir und mir wächst tief das Paradies“ erschienen sind. „Daweil ich warte, schreiben sich solche Gedichte“, meint der Dichter zu jenen Texten, in denen er, die Formen von Liebes- und Sehnsuchtsliedern nutzend, verflossener oder gegenwärtiger Liebe nachsinnt. Manchmal hat das auch mit Warten zu tun, dann gilt es knapp festzuhalten: „Anderthalb Jahre gingen um / Die Leidenschaft hatte wenig zu tun.“
Am 13. April 2010 kommt der Dichter, Romancier und Essayist Robert Schindel, der viele Jahre den Vorsitz der Klagenfurter Bachmannpreis-Jury innehatte und in diesem Jahr einem Ruf als Poetik-Professor auf Zeit an die Universität Bamberg folgt, als Gast der Reihe „Literarische Alphabete“ des Literaturforum Dresden ins Hygiene-Museum. / Volker Sielaff, Dresdner Neueste Nachrichten 10.4.
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