86. Meine Anthologie 20: Abu Hafs, Vor Liebe irr

Vor Liebe irr

Ich sah ihr Antlitz an und ward vor Liebe irr.
– Wer starken Wein trinkt, dessen Kopf wird wirr.

Ihr Blick gab jedem Furcht ein, nur ihr selber nicht.
– Das Schwert erschlägt nicht den, der damit sticht.

Ich sah sie weinend an. Ihr Antlitz war voll Wonne.
– Die Wolke weint, darüber steht die Sonne.

Sie war so wohlgestalt. Stets schwebt ihr Bild mir vor.
– Die schöne Melodie bleibt lange noch im Ohr.

Ihr Scheiden schuf mir großes Herzeleid.
– Sobald die Sonne geht, herrscht Dunkelheit.

Aus: Andalusischer Liebesdiwan. Nachdichtungen Hispano-Arabischer Lyrik von Janheinz Jahn. Freiburg i. Breisgau: Verlagsanstalt Hermann Klemm, 1955, S. 31.


Abu Hafs, 12. Jahrhundert, Cordova
Über die andalusischen Dichter jener Zeit schreibt der Herausgeber: „Orient und Okzident fließen in Al-Andalus zusammen. Hier vermischen sich die Völker, denn der Islam kennt keine rassischen Vorbehalte. Araber, Iberer, Goten und Juden tragen, im neuen Glauben geeint, ihr Teil bei zur gemeinsamen hispano-arabischen Kultur, in der sie so völlig aufgehen, daß wir heute nur selten feststellen können, ob die frühen Vorfahren eines maurischen Dichters am Indischen Ozean, am Atlantik, an der Ostsee oder am Toten Meer gelebt haben.“ (A.a.O. S. 29f) – An der Ostsee – voilà!

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