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Bereits im ersten Gedicht dieses Bandes, auf der zweiten Zeile, fällt eher beiläufig der anspielungsreiche Satz «alles was ich / bin verdank ich der syntax». Dieses «Ich», das Ulf Stolterfoht in Kleinbuchstaben sprechen lässt, könnte natürlich er selber sein, der Lyriker, aber ebenso gut ist denkbar, dass hier das eben erst entstehende Gedicht spricht: von sich. In Stolterfohts Gedichten stellen sich solche Fragen öfter − obschon alles, jedes Wort und jeder Satz, immer klar scheint, eindeutig auf fast schon irritierende Weise. Mit «fachsprachen XXVIII – XXXVI» präsentiert Ulf Stolterfoht die vierte Lieferung seiner Fachsprachen-Gedichte, die man anders nicht bezeichnen kann, weil er mit ihnen ein Genre begründet hat, das singulär ist. Das Verfahren scheint inzwischen vertraut, die Ergebnisse sind jedoch immer wieder überraschend.
In langen, ausschwingenden Versen, die ein strenges formales Korsett energisch bündeln, liest man Sprachfertigteile, oft ganze Sätze, herrliche Trouvaillen und kleine Theoreme, die mit Sprachwitz neben- und gegeneinander gestellt werden und zu einem dichten Gewebe verknüpft sind. Stolterfoht nutzt gerne kontaminierte Phrasen, die er aus ihrem Kontext herauslöst. Er isoliert sie, stellt sie gleichsam kalt und bringt sie in einer neuen Umgebung unter − und schafft zugleich gerade damit diese neue Umgebung. …
Ein weiterer Gedichtband, für den Ulf Stolterfoht verantwortlich zeichnet, hat zu tun mit seiner Tätigkeit als Dozent am Literaturinstitut Leipzig. Die Vorgabe an die Studierenden seines Seminars war, «Cowboygedichte» zu schreiben, und entstanden ist eine bunte Sammlung von Texten, die alle um die mythische Figur aus dem mythisierten Wilden Westen kreisen. Die Vielfalt der Aneignung ist erstaunlich. Der Cowboy ist bald arbeitslos, bald Gegenstand einer nachgestellten ethnografischen Darstellung in der Manier des 17. Jahrhunderts, dann wieder ist er eine Figur mit Bezug auf den Nationalsozialismus. Oder er ist zu Hause in einer ostdeutschen Umgebung und bedroht von Kolonisation. Der Cowboy als lyrischer Wechselbalg und historisches Leitfossil löst sehr unterschiedliche, stets lesenswerte Gedichte aus, die alle von mehr handeln als nur vom einsamen Kuhhirten. / Martin Zingg , NZZ 6.2.
Ulf Stolterfoht: Fachsprachen XXVIII – XXXVI. Urs Engeler Editor, Basel 2009. 126 S., Fr. 32.90. Ulf Stolterfoht und der Lyrikkurs des Literaturinstituts Leipzig: Cowboylyrik. Roughbook, Band 3. Urs Engeler Editor, Basel 2009. 80 S., Fr. 14.50.
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