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Veröffentlicht am 27. Dezember 2009 von lyrikzeitung
Ein Lyriker in Reykjavik hat es nicht leicht. Das liegt zum einen Teil an den wenig lyrikfreundlichen Bedingungen, die Reykjavik zu bieten hat, zum anderen daran, dass es Lyriker generell nicht leicht haben. Aber Sturla Jãn, der einer von Islands bekannteren Lyrikern ist, kann das nicht viel anhaben. Er findet es ein „gutes Gefühl“, „allein in einem großen Wohnblock in Reykjavik zu wohnen und zahlreiche Werke jenes literarischen Genres veröffentlicht zu haben, von dem die meisten Mieter wohl noch nicht einmal wussten, dass man es in Geschäften kaufen konnte“. Und dennoch nagen Zweifel an Sturla Jãn. Hat er die lyrische Form mit seinen Beiträgen bereichert? Sollte er nicht die „verschlissenen Lumpen“ der Poesie eintauschen gegen den „maßgeschneiderten Anzug“ der Prosa? So reift in ihm der Gedanke, sich dem Roman zuzuwenden – oder sagen wir, dem „Gedicht in freiem Vers“, wie sich „Der Botschafter“ im Untertitel nennt. Man hat Sturla als – wie üblich – einzigen Vertreter seines kleinen Landes zu einem Lyrikfestival nach Litauen eingeladen, und die vorauseilende Unlust hat ihn veranlasst, einen kleinen Vorabverriss der Veranstaltung zu formulieren. Der Versuch hat in ihm die Kräfte des Prosaschriftstellers geweckt. Nun soll ein Roman entstehen, wenn auch einer, dessen vorherrschendes Thema die Lyrik ist, ihre Voraussetzungen, ihre Herstellung, ihre Verbreitung und ihre Wirkung. / CHRISTOPH BARTMANN, SZ 21.12.
BRAGI ÓLAFSSON: Der Botschafter. Gedicht in freiem Vers. Aus dem Isländischen von Tina Flecken. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009. 368 Seiten, 19, 95 Euro
Kategorie: IslandSchlagworte: Bragi Ólafsson, Christoph Bartmann
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