47. Herta Müllers Deutsch

Und doch ist Herta Müllers Deutsch nicht nur anders, weil es aus einer Exklave stammt, die über Jahrhunderte ihre Eigenarten, ihren eigenen Tonfall entwickelt hat. Herta Müllers Deutsch ist eigensinniger, so, als sei sie davon besessen, diese Sprache noch auf andere als die übliche Weise zu gebrauchen. …

Mit „Im Haarknoten wohnt eine Dame“ (2000) versammelt Herta Müller Gedicht-Collagen zu einem eigensinnigen Poesiealbum, das sich mit Kinderreimen und Abzählversen gegen die Niederungen des Lebens abhebt.

Wie kindliche Wortmagie muten auch die Sprachschöpfungen in ihrem jüngsten Werk an, das Müller ursprünglich mit ihrem verstorbenen Kollegen Oscar Pastior über dessen Erfahrungen in einem sowjetischen Arbeitslager schreiben wollte. Komposita wie die titelgebende „Atemschaukel“, „Herzschaufel“, „Tageslichtvergiftung“, „Hungerengel“ oder „Hautundknochenzeit“ kommen hier zusammen, so als wollten sich die Wörter gegen die Schrecken von Hunger, Tod und Dunkelheit verbünden, von denen sie berichten. So als könnten sie alleine gar nicht tragen, was sie sagen sollen. / Ulrich Baron, Spiegel online 8.10.

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