31. Wiedergeburt der deutschen Dichtung (Faul seit 1945)

(Lammla spricht:)

Rolf Schilling war elf Jahre älter als ich und hatte bereits sechs Gedichtsammlungen abgeschlossen. Außerdem hatte er eine höchst umfassende Kenntnis der Literatur, und er zeigte mir Autoren, die eine Brücke von der Rilke-Zeit in die Gegenwart schlagen. Viele Jahre später habe ich in meinem eigenen Verlag die vergessenen davon wieder aufgelegt.

Von Schilling wurde ich außerordentlich ermutigt, aber auch gehemmt. Ich galt bald als Adept und Kronprinz und hatte Mühe, nicht für einen Imitator und Epigonen gehalten werden. Vieles, was in den achtziger Jahren entstand, trägt Spuren von Abgrenzungsversuchen, die nicht immer besonders glücklich waren. Erst mit dem „Weißen Falter“ (1992) gewann ich die formale Eigenständigkeit, die sich in Folge dadurch verstärkte, daß ich mich auch thematisch von Rolf Schilling entfernte. Mittlerweile liegen 14 Gedichtsammlungen vor, der Digitaldruck hat es ermöglicht, daß Anfang 2008 alle Werke in 9 Bänden beim Engeldorfer Verlag erscheinen.

Die früher geduckten Bücher sind in meinem eigenen Verlag erschienen. Einen anderen habe ich nicht finden können, obwohl ich als Buchhändler gute Kontakte in der Branche habe und auch weiß, worauf es für einen Verleger ankommt. Es geht in dieser Verweigerung nicht um das unternehmerische Risiko. Vor einigen Monaten habe ich hunderte von Literaturzeitschriften im deutschsprachigen Raum angeschrieben und ihnen kostenlos Gedichte zur Publikation angeboten, für viele sogar, die heftbezogene Themen vorgaben, neue Gedichte geschrieben (alle in „Babylon des Worts“). Die wenigen, die überhaupt antworteten, äußerten sich ablehnend. Dies ist ein Totalitarismus, der den in der DDR bei weitem übertrifft. Um meine Person geht es hierbei nicht: Rolf Schilling ist auch nur in meinem Verlag erschienen, und die jüngeren Autoren, die sich um eine Wiedergeburt der deutschen Dichtung bemühen, werden ebenfalls geschnitten: Joachim Werneburg, der zwei Bücher bei Arnshaugk hat und sonst nur auf eigene Kosten produziert, Timo Kölling mit seinen BoD-Bänden, und Uwe Nolte (der begabteste in unserem Kreis) hat überhaupt noch kein Buch….
Ich habe also guten Grund zu der Behauptung, daß etwas faul sei im Vaterlande, und zwar seit 1945. / Uwe Lammla


[Päng! Da war also die Welt noch heil?? Oder „nur“ die Welt der Lyrik?? Vaterland und Lyrik warn ganz schön kaputt, eh! MG]

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..