85. Jan Wagners zweiter

Eine Schlüsselfigur bei diesem Widerspiel von stehender oder ins Vakuum gesaugter Luft einerseits, Wind und Sturm auf der anderen Seite ist Jakob van Hoddis. Das Gedicht ¸¸Van Hoddis in Tübingen“ macht den verstummten Dichter, im Blick auf seine Odyssee durch die Psychiatrien, zu einem Verwandten des Sperlings, dem in seiner schmalen Kammer die Luft ausgeht: das astloch in der diele bei der tür / auf das er starrt. In dem die luft versickert. Van Hoddis war die Stimme des expressionistisch entfesselten Sturms gewesen, hatte dem Bürger den Hut vom spitzem Kopf geweht. Sein Gedicht ¸¸Weltende“ ließ es in allen Lüften hallen ¸¸wie Geschrei“, aber die landläufige Ineinssetzung von Expressionismus und Formzertrümmerung kann sich auf ihn nicht berufen.

Er hat mit reimlosen Versen experimentiert, aber nicht den Reim dem reinen Ausdruck, dem Schrei geopfert, und seinen ¸¸Todesengel“ in Strophen auftreten lassen, die einem strengen Reimschema folgen. / Lothar Müller, SZ*) 26.3.04 {nach kostenloser Anmeldung im 7-Tage-Archiv zugänglich)

JAN WAGNER: Guerickes Sperling. Gedichte. Berlin Verlag, Berlin 2004. 84 Seiten, 16 Euro.

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