24. Immanuel Kant

Was der Süddeutschen Bernhard, ist der NZZ heute Kant (200. Todestag am 12.2.04, 280. Geburtstag am 22.4.04). Unter mehreren Kantiana Aphorismen und Fragmente von Franz Josef Czernin „Für und wider Kant“, wie dies:

Die Poesie, diese unbelehrbare Geisterseherin, träumt den Sinn als Gegenstand; als etwas, das ebenso als in Raum und Zeit ausgedehnt wie auch als körperlos erfahren werden kann; denn der Sinn, der alles und nichts sein kann, soll eben deshalb die Merkmale dessen annehmen können, worauf er sich bezieht. Der Sinn des Wortes Stein soll steinhart sein können, der Sinn des Wortes Stern eine ungeheure Entfernung, der Sinn des Wortes Nacht undurchdringliche Dunkelheit und der Sinn des Wortes Zahl, eine Idee, so raum- wie zeitlos. Wie seltsam aber und wie schrecklich, dass man dieser Erfahrung nicht trauen darf, als ob es ihr an Wirklichkeit mangelte, als ob sie eine Art Illusion wäre oder etwas Phantastisches!

Eingerückt (Jandlisch: eingrückt) hier ein Gegenstück bei Kant vom Vorzug des Ohrenzustopfens:

Wenn jemand ein Gebäude, eine Aussicht, ein Gedicht nicht schön findet, so läßt er sich erstlich den Beifall nicht durch hundert Stimmen, die es alle hoch preisen, innerlich aufdringen. Er mag sich zwar stellen, als ob es ihm auch gefalle, um nicht für geschmacklos angesehen zu werden; er kann sogar zu zweifeln anfangen, ob er seinen Geschmack, durch Kenntnis einer genugsamen Menge von Gegenständen einer gewissen Art, auch genug gebildet habe (wie einer, der in der Entfernung etwas für einen Wald zu erkennen glaubt, was alle andere für eine Stadt ansehen, an dem Urteile seines eigenen Gesichts zweifelt). Das sieht er aber doch klar ein: daß der Beifall anderer gar keinen für die Beurteilung der Schönheit gültigen Beweis abgebe; daß andere allenfalls für ihn sehen und beobachten mögen, und was viele auf einerlei Art gesehen haben, als ein hinreichender Beweisgrund für ihn, der es anders gesehen zu haben glaubt, zum theoretischen, mithin logischen, niemals aber das, was andern gefallen hat, zum Grunde eines ästhetischen Urteils dienen könne. Das uns ungünstige Urteil anderer kann uns zwar mit Recht in Ansehung des unsrigen bedenklich machen, niemals aber von der Unrichtigkeit desselben überzeugen. Also gibt es keinen empirischen Beweisgrund, das Geschmacksurteil jemanden abzunötigen.

Zweitens kann noch weniger ein Beweis a priori nach bestimmten Regeln das Urteil über Schönheit bestimmen. Wenn mir jemand sein Gedicht vorliest, oder mich in ein Schauspiel führt, welches am Ende meinem Geschmacke nicht behagen will, so mag er den Batteux oder Lessing, oder noch ältere und berühmtere Kritiker des Geschmacks, und alle von ihnen aufgestellten Regeln zum Beweise anführen, daß sein Gedicht schön sei; auch mögen gewisse Stellen, die mir eben mißfallen, mit Regeln der Schönheit (so wie sie dort gegeben und allgemein anerkannt sind) gar wohl zusammenstimmen: ich stopfe mir die Ohren zu, mag keine Gründe und kein Vernünfteln hören, und werde eher annehmen, daß jene Regeln der Kritiker falsch seien, oder wenigstens hier nicht der Fall ihrer Anwendung sei, als daß ich mein Urteil durch Beweisgründe a priori sollte bestimmen lassen, da es ein Urteil des Geschmacks und nicht des Verstandes oder der Vernunft sein soll.

Kritik der Urteilskraft (mehr bei Gutenberg.de)

Hier ein Gernhardt-Gedicht über ein geistiges Abenteuer Kants. (Hier kann man lesen, wie eine Schulklasse das Gedicht weiterdichtet). Hier (anscheinend unvermeidlich) Tom de Toys´ (oder einer seiner Reinkarnationen? oder Nachäffer?) – selbstredend: verfrühter – Beitrag zum Kantjahr. (Wenn Sie die anderen Gedichte nicht gleich mitlesen wollen: blättern!).
Wenn Sie´s doch lieber gereimt mögen: noch ein Beispiel für die ästhetische Fruchtbarkeit Kants resp. des Paarreims.
Kant in Bagdad (Die Welt 7.2.04)

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