Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Ringelnatz wurde berühmt durch Zeilen wie diese: „Überall ist Wunderland./ Überall ist Leben./ Bei meiner Tante im Strumpfenband/ Wie irgendwo daneben …“
Das ist der Ringelnatz-Sound. Der Klang des Witzboldes. Nun ist ein weiterer Ton des deutschen Dichters zu entdecken. Der ernsthafte und nachdenkliche Ringelnatz, der in den Goldenen Zwanzigern das Nazi-Unheil heraufdämmern sah, über Inflation, Rassismus und menschliches Elend schrieb, der Erzähler und der Verfasser zweier autobiografischer Bücher. In einer bibliophil aufgemachten, zweibändigen Kassette mit Erzählungen und Gedichten stellt der Diogenes-Verlag Ringelnatz nun als hellsichtigen, spöttischen und bitteren Poeten vor. Das Gesamtwerk in sieben Bänden folgt im April.
Die Bände sind eine Fundgrube – auch für Kenner. Sogar der Lyriker Robert Gernhardt gesteht anlässlich dieser neu edierten Wort-Fülle, dass seine Ringelnatz-Kenntnis bislang durchaus begrenzt war, eingedampft auf den „allgemeinverträglichen Instant-Ringelnatz – hirnschonend und herzfreundlich“, an dem er immer wieder gern nippte.
Und der andere Ringelnatz? Der schrieb zum Beispiel 1924 einen schillernden kleinen Berlin-Roman mit dem dubiosen Titel „…liner Roma“, in dem er fünf Jahre vor Döblins gefeiertem „Berlin Alexanderplatz“ Stimmungen, Gerüche, Geräusche und menschliche Schicksale zu einem Großstadt-Panorama collagierte. / Susanne Kunckel, Die Welt 18.1.04
Joachim Ringelnatz: „Sämtliche Gedichte“, „Sämtliche Erzählungen“, Diogenes, 2 Bde, 29,90 Euro. „Das Gesamtwerk“ in sieben Bänden erscheint im April, ca. 49 Euro
Neueste Kommentare