Lyrik siegt … in Polen

Doch auch wenn es um lebende Schriftsteller geht, scheinen diesmal die älteren Jahrgänge die Hauptakteure des literarischen Herbstes zu sein. Etwa der Dichter und Literaturwissenschafter Jaroslaw Marek Rymkiewicz (Jg. 1935), der den diesjährigen «Nike»-Preis, die mittlerweile wichtigste literarische Auszeichnung Polens, erhielt. In den letzten Jahren machte Rymkiewicz vor allem als Essayist von sich reden: mit seinem dreiteiligen biografischen Zyklus über den Nationaldichter Adam Mickiewicz oder mit dem halb fiktionalen, halb dokumentarischen Prosawerk «Umschlagplatz» (dt. 1993). Nun überzeugte er die Jury mit seinem Gedichtband «Sonnenuntergang in Milanowek» (Rymkiewicz‘ Wohnort bei Warschau), in dem er einerseits in einem scheinbar naiven Stil die vielen kleinen Dinge festhält, die sich zur Banalität des ländlichen Alltags zusammenfügen, sich andererseits aber auf eine literarisch und philosophisch höchst anspruchsvolle Weise mit seinem «Thema regium», wie es in der Begründung der Jury hiess – dem Tod, der Sterblichkeit, der Vergänglichkeit -, auseinandersetzt. … Die Auszeichnung Rymkiewicz‘ beweist erneut (wie die kommerzmüden Kritiker mit Genugtuung registrierten), dass die Lyrik in diesem Land nach wie vor einen höheren Stellenwert hat als die Prosa. / Marta Kijowska, NZZ 5.1.04

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