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Veröffentlicht am 1. November 2002 von rekalisch
An seinen [Zhang Zaos] und Yang Lians Ausführungen über den [vor 2300 Jahren vertriebenen] Exildichter Qu Yuan kann man die Veränderung des Exilbegriffes in den letzten zehn Jahren ermessen: Sie sinnieren nicht über sein politisches Schicksal, sondern sie sehen ihn als erste individuelle lyrische Stimme in der chinesischen Literaturgeschichte und magischen Sprachvirtuosen. Zhang Zao hebt Qu Yuans transzendentale Bindung an das Göttliche hervor, das zu Unrecht mit der Beziehung zum König verwechselt würde. Ist das Exil für die Schriftsteller zum lyrischen und spirituellen Sprachlabor geworden? In einem Gespräch, das Yang Lian 1993 mit dem in Frankreich lebenden Nobelpreisträger Gao Xingjian führte, geht es vor allem um das Exil als Gelobtes Land literarischer Sprachfindung, die nur fernab vom „sprachlichen Hippietum“ des immer materialistischeren Pop-Bestseller-Buchmarkts in China, der zugleich auf lukrative Rezeption im Westen schielt, geschehen kann. …
Überspitzt gesagt: Chinesische Exilschriftsteller sind nicht, wie etwa bei der Vergabe des Nobelpreises an Gao Xingjian immer wieder kritisiert wurde, von den schöpferischen Quellen ihrer Sprachtradition abgeschnitten, sondern finden durch ihre Mehrsprachigkeit und Exilerfahrung zu neuen Ausdrucksformen, die eine kreative Rückbesinnung auf die chinesische Tradition erst ermöglichen.
/ Wiebcke Denecke, FAZ 01.11.2002, Nr. 254 / Seite 38
Kategorie: China, FrankreichSchlagworte: Gao Xingjian, Qu Yuan, Wiebcke Denecke, Yang Lian, Zhang Zao
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