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Veröffentlicht am 25. Mai 2002 von rekalisch
Ich kann mich nicht erinnern, nur irgendeine Zeile forciert zu haben nur um eines derb-obszönen Effekts willen. Dazu habe ich erstens viel zu viel Respekt vor Catull, und das erschiene mir zweitens als viel zu grob. Es ist aber Faktum, dass Catull ein Dichter war, dessen Temperament legendär war, ein großer Choleriker. Seine Gedichte waren ja letztlich für ein Symposium geschrieben, für eine Art Herrenrunde, wie ja auch die frühen griechischen Gedichte, etwa die von Archilochos, einem der obszönsten griechischen Dichter der Antike. Einer der Effekte, mit denen Catull spielt, ist diese Art von Provokation, die zwischen Herrenwitz und Aggressionsabbau changiert. Ich versuche, eine Art von Kongenialität herzustellen. Dabei besitze ich nicht die Prüderie mancher Catull-Übersetzer, aber mir geht es auch nicht um die Provokation als schrillem Effekt. Die Krassheiten, die man mir heute anlastet, sind die Krassheiten Catulls. / Raoul Schrott im Gespräch mit Michael Braun, FR 25.5.02 – um Gilgamesh und Texttreue bei Übertragungen.
Kategorie: Antike, Österreich, DeutschSchlagworte: Catull, Michael Braun, Raoul Schrott
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