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In der Weltkultur hat sich Afrika im Lauf des zwanzigsten Jahrhunderts langsam, aber sicher seinen Platz erobert. Nun sind es die Afrikaner selbst, die auf Grund religiöser Differenzen die einheimischen Werte torpedieren und zerstören. Der nigerianische Lyriker und Journalist Obi Nwakanma berichtet aus eigener Erfahrung
Eine neue Furie ist in Afrika am Werk: ein religiöser Fundamentalismus, der sich aus Armutund Verelendung, aus der Bedrohung durch Gewalt und tödliche Krankheiten – Aids, Ebola,Tuberkulose – nährt. In ihrer Verzweiflung stürzen sich die Menschen in extreme Glaubensformen, die sie im Extrem leben – um den Preis, die eigene Vergangenheit auszulöschen. Wenn ich heute mein Heimatdorf besuche, verspüre ich eine Art Fremdheit, eine Leere, einen kalten und unfreundlichen Lufthauch – als hätten unsere Vorfahren tatsächlich ihre heiligen Stätten verlassen, und uns damit. /NZZ 20.3.01
Conradys Gedicht-Sammlung ist Band des Jahres
Weßling (rpo). Der Kölner Germanistikprofessor und Herausgeber Karl Otto Conrady hat das Gedichtband des Jahres 2001 geschrieben. Die Sammlung „Das große deutsche Gedichtbuch“ist der Gedichtband des Jahres.
Die Redaktion „Das Gedicht“ hatte im Zeitraum von Herbst 1999 bis Frühjahr 2001 rund 600 Neuerscheinungen im Bereich der deutschsprachigen Gegenwartsdichtung ausgewertet, teilte der in Weßling bei München beheimatete Herausgeber Anton G. Leitner am Montag mit.
„Der Neue Conrady“ versammelt mehr als 2000 Gedichte aus über 1000 Jahren, vom berühmten „Wessobrunner Gebet“ bis hin zum Liebesgedicht „Kleine Einladung“ des 1974 geborenen Slam-Poeten Bastian Böttcher. Die im Düsseldorfer Artemis & Winkler Verlag erschienene Anthologie (1307 Seiten, DM 78,–) lädt nach Meinung der Lyrik-Experten zu einer „poetischen Zeitreise ein und vermittelt einen plastischen Eindruck vom nahezu unermesslichen Formen- und Perspektivenreichtum unserer Lyrik“./ Neuß-Grevenbroicher Zeitung 19.3.01
Neu aufgenommen sind u.a. Ch. W. Aigner, Wilhelm Bartsch, Marcel Beyer, Thomas Böhme, Zehra Cirak, F.J. Czernin, Roza Domascyna, Anne Duden, Jan Faktor, Franzobel, F. Ph. Ingold, Kito Lorenc, Heiner Müller, Said, Werner Söllner, Peter Waterhouse, Unica Zürn.
Eine „Lange Nacht der Poesie“ mit Volker Panzer und Gaesten
Mainz (ots) – Aus Anlass des UNESCO Welttages der Poesie gibt es am Mittwoch, 21. März 2001, von 0.00 bis 2.30 Uhr ein ZDF-„nachtstudio“ der besonderen Art: „Die Stimme kommt zum Text“ heißt es dann bei Volker Panzer und seinen Gästen, die gemeinsam die „lange Nacht der Poesie“ bestreiten. Die Veranstaltung, Lyrik-Lesungen, Performances und Diskussionen über Poesie, zeichnet das ZDF bereits am Samstag, 17. März 2001, ab 20.00 Uhr im glasbedeckten Atrium im Hauptstadtstudio Unter den Linden vor Publikum auf. Zu Gast sind Lautpoeten, experimentelle Dichter, Wortkünstler und Slamer aus Deutschland, der Schweiz, den USA, Holland und dem Irak: Oskar Pastior (Deutschland), Adolf Endler (Deutschland), Gerhard Rühm (Deutschland), Monika Lichtenfeld (Deutschland), Christian Uetz (Schweiz), Michael Lentz (Deutschland), Sapphire (USA), Uwe Kolbe (Deutschland), Amal Al-Juburi (Irak), Jan Off (Deutschland), Serge van Duijnhoven (Holland), Valerie Scherstjanoi (Deutschland), Hilde Kappes (Deutschland), Die modernen Formen der Lyrik haben sich geweitet und geben nicht nur Raum für Worte und Laute, sondern auch für körperbetonte Ausdrucksweisen. Über die theoretischen Hintergründe dieser Entwicklung und die Auswirkungen für die Lyrik in der Zukunft diskutiert Volker Panzer mit Michael Lentz (Lyriker), Oskar Pastior (Lyriker), Thomas Wohlfahrt (Leiter der LiteraturWERKstatt Berlin), Claudia Schmölders (Kulturwissenschaftlerin, Humboldt Universität, Berlin) und Reinhart Meyer-Kalkus (Literaturwissenschaftler, Wissenschaftskolleg Berlin). „Die lange Nacht der Poesie“ ist – wie schon im Vorjahr – eine Gemeinschaftsveranstaltung von ZDF, DeutschlandRadio Berlin und der LiteraturWERKstatt Berlin.
Peter Ruzickas erste Oper. Die Zwei-Stunden-Oper, die am nächsten Sonntag an der Semperoper in Dresden uraufgeführt wird, ist Abschluss und Krönung von Ruzickas rund 30-jähriger intensiver Auseinandersetzung mit Celans verstörender Poesie. Qualvoll suchte dieser Heimatlose, der sich 1970 in Paris das Leben nahm, Halt in der Sprache, Poesie für das Unfassbare, Unvergessbare des Holocaust. Peter Ruzicka war 20, als er nach Tönen für die „Todesfuge“ tastete. Wenig später traf er den zermürbten Dichter in Paris. „Damals war ich sehr jung, ein Parsifal, und Celan schien mit seinen Gedanken schon in einer anderen Welt. Doch das wortlos-wortreiche Gespräch, das wir führten, hat mein Leben geprägt.“ / Die Welt 18.3.01
bespricht Christiane Zintzen:
Paul Celan zwischen Trauerarbeit, Infamie und Idolatrie: Aus Distanz betrachtet, erweist sich die Rezeption seines Werkes als Spiegelbild der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Seit immer mehr Privates öffentlich wird, ist das Interesse am Dichter neu erwacht. Eine kürzlich erschienene Dokumentation zeigt die ganze Niedertracht der «Goll-Affäre» auf, während sich mit Jean Bollack und Otto Pöggeler wieder einmal zwei Exegeten einen Kampf um die «wahre» Interpretation liefern.
Und konstatiert: Celans Dunkel leuchtet auch weiter – trotz oder gerade wegen der Fackelträger seiner Erhellung. / NZZ 17.3.01
Mehr Celan 1 / 2 /
wie einfach wie schrecklich. Nirgends sonst hat Storm, als Lyriker häufig sentimental und konventionell, die Konventionen lyrischer Rede vom Tod so radikal durchbrochen – mit sprachlich konventionellen Mitteln. Mancher lyrische Bastler und Neutöner muss davor erblassen.
Storms Gedicht, das Gedicht eines Hypochonders und Melancholikers, ist 1864 ohne markanten biographischen Anlass entstanden und 1868 veröffentlicht worden. Das sagt nicht, dieses Gedicht sei kein Erlebnisgedicht. Auch der hypochondrisch imaginierte Tod kann erlebt werden. 1888, zwanzig Jahre später, ist Storm an Magenkrebs gestorben.“ / Gerhard Kaiser, NZZ 17.3.01
Wenn wir nun die Meßlatte von Adonis´ Dichtung und ihres – an Hölderlin und Heidegger geschulten – Selbstverständnisses an die dürftige Zeit … anlegen, so äußert sich deren Armut und Armseligkeit ebendarin, daß Pathos und Vision unglaubwürdig, ja verächtlich geworden sind. (Schreibt Stefan Weidner über den syrischen Dichter. / FAZ 17.3.01
„When Wordsworth wrote his poem , most daffodils weren’t golden ? they were a very pale straw yellow, nearly white ? and many had a red rim round the cup in the middle,“ she says.
„The most prolific was called the Lent Lily ? Narcissus pseudo narcissus ? and it grew wild. We have always assumed this was the one Wordsworth saw. These days, growers will tell you they don’t bother with them because they don’t live long in a vase, are papery and floppy and they don’t sell.“
But the poem may be responsible for the choices daffodil breeders have made since it was written, because it became so well-known so quickly it affected the way people thought daffodils should look. / The Independent 3.3.01
In der Frankfurter Anthologe vom 17.3. erinnert Marcel Reich-Ranicki daran, daß er vor 40 JahrenTucholsky nachdrücklich gelobt hat und gesteht ein mögliches Fehlurteil. (Also auch darin unschlagbar, Donnerwetter) FAZ 17.3. – Reinhard Lauer bespricht: Thun, Nyota: „Ich – so groß und so überflüssig.“ Wladimir Majakowski – Leben und Werk. Grupello Verlag, Düsseldorf 2000
Ein wenig versteckt – auf den Berliner Seiten der FAZ – berichtet Annett Gröschner von ihrer Zeit bei der Prenzlauer-Berg-Zeitschrift Sklaven resp. Slavenaufstand (die inzwischen zum Gegner geworden ist, siehe Zeitschriftenschau ). / FAZ 17.3.01
Das neue Gedicht: Peter M. Gräf über ein Gedicht des irakischen Lyrikers Sargon Boulus / Die Welt 17.3.01
Der paradigmatische Text hierfür sind einige berühmte Verse vom Schluss der Achten Pythischen Ode: „Eintagswesen! Was ist wer, was ist wer nicht? Eines Schattens Traum / ist der Mensch. Doch wenn Glanz, von Gott gegeben, sich einstellt, / dann ist strahlendes Licht bei den Männern, und lieblich ihre Lebenszeit.“ Was Wunder also, dass kein Gedicht so häufig erwähnt wird wie dieses – die Antithese zwingt griechischen Pessimismus und griechische Hoffnung auf engsten Raum zusammen.
Pindar. Menschenlos und Wende der Zeit. Verlag C.H. Beck, München 2000. XVIII und 1 094 S., 98 Mark. / Berliner Zeitung 17.3.01
Netzeitung-Antholigie: Jürgen Theobaldy, Ein Orakel in der Nähe / NZ 17.3.01
In der Süddeutschen vergleicht Alexander Menden die Bahandlung des Schweins in deutscher und englischer Dichtung (Töten, töten. Dichter können das Schweineschlachten auch feiern) / SZ vom 17.03.2001
Libellen als „blaue Nadeln der Luft“ und der Bergmann ein „Metzger am Bullen Fels“: Solche Metaphern kann man nur bei Johannes Kühn entdecken · in seinem jüngstem Lyrikband „Mit den Raben am Tisch“, der eine Summe seines bisherigen Schaffens zieht: In elf Abteilungen enthält er 180 Gedichte, die meisten eine Auswahl aus den 13 bisher publizierten Gedichtbänden, darunter aber auch 46 neue, bislang noch nicht in Buchform publizierte Gedichte. Zu ihr gehören unter anderem Naturbilder, Tageszeitimpressionen, Tierbetrachtungen und Beobachtungen von Menschen im Alltag, Exzerpte des Gasthaus-Zyklus oder Eindrücke aus der Arbeitswelt. …
Nachdem die Resonanz auf seine frühen Gedichte ausblieb (dem ersten Gedichtband von 1955 folgte erst 1970 ein zweiter), resignierte Kühn, zog sich zurück und verstummte ab 1980 völlig. Dass es dabei nicht blieb, hat man der Initiative und Rührigkeit seiner engen Freunde Benno und Irmgard Rech zu verdanken, die ihm den Weg zum „Nachruhm zu Lebzeiten“ ebneten, indem sie seine Gedichte auf dem Speicher in gestapelten Kartons aufstöberten, sichteten und zur Edition auswählten. Mit dem neuen Buch liegt im Hanser Verlag nun bereits der fünfte Kühn-Titel vor · und weitere werden folgen
Johannes Kühn: Mit den Raben am Tisch. Ausgewählte und neue Gedichte, Carl Hanser Verlag München, 208 Seiten, 28 Mark. Johannes Kühn liest Gedichte und ein Märchen, Gollenstein Hörbuch 2000, CD, 70 Minuten, 24 Mark. / Walter Buckl, Donaukurier 16.3.01
Was alt ist, ist neu Lyrikerin Inger Christensen über Zweifel an der Dichtung
Ich bin keine Sterndeuterin, ich bin eher eine Handwerkerin. Die Dichtung ist ja auch nur eine Stimme unter den vielen Stimmen der Welt. Und sie ist auch kein Medium, das besonders geeignet ist, auf Probleme aufmerksam zu machen. Aber man kann ja hoffen, dass Dichtung vielleicht ein Gesamtgefühl der Zustände erfahrbar machen kann. Dann und wann hat man den Eindruck, dass aus den vielen Punkten der Vergangenheit, aus den vielen Schichten des Lebens heraus etwas ausgedrückt werden kann, wovon man kaum etwas weiß. Ich glaube vor allem, dass man gerade deswegen schreibt, weil die Unlesbarkeit der Welt vorhanden bleibt. Man schreibt weiter. Während des Schreibens denkt man, dass man etwas entdeckt hat, man denkt, alles wird klar werden. Aber eigentlich ist es ja so, dass man nur schreibt, weil man weiß, dass alles unlesbar ist und bleibt. Man liest die Welt, um weiter zu lesen, und dabei bleibt immer dieser Rest. Über die Zukunft der Menschheit dagegen lässt sich überhaupt nichts sagen. Aber in jedem Moment gibt es eine Konstellation von Gedanken und Ausdrücken, die den Einzelnen auf die Spur von etwas bringen kann, das der Zukunft eine Form gibt. SZ vom 15.03.2001 Münchner Kultur
Anja Utler und Silke Scheuermann sind, 1973 geboren, die jüngsten Teilnehmerinnen, Mirko Bonné, Jahrgang 1965, der älteste. Außerdem werden Thomas Heinold, Thomas Klees, Maik Lippert, Hendrik Rost, Sabine Scho, Volker Sielaff und Jan Wagner zum öffentlichen Wettbewerb nach Darmstadt eingeladen. Am 23. und 24. März lesen sie ihre Gedichte in der Centralstation, wo die Veranstaltung zum ersten Mal ausgetragen wird; „eine publikumsfreundliche Ortswahl“, hofft Peter Benz. Der Raum wechselt, der Ablauf bleibt. Zur Eröffnung am Freitag (23.) um 17 Uhr wird der Lyriker Thomas Kling als Ehrengast gewürdigt, der Kritiker Hubert Winkels wird eine Laudatio auf den Dichter halten. Danach lesen die Kandidaten in einer Reihenfolge, die durchs Los bestimmt wird. Im Anschluss an jeden der Auftritte diskutiert die Jury öffentlich. Die Entscheidung darüber, wer am Samstagabend die 15 000 Mark des Leonce-und-Lena-Preises erhält und welche Autoren sich die Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise (insgesamt ebenfalls 15 000 Mark) teilen, fällt in nichtöffentlicher Sitzung. Wieder hat Wilfried F. Schoeller die Leitung der Jury und die Moderation der Veranstaltung übernommen. Der Jury gehören die früheren Preisträger Dieter M. Gräf und Raoul Schrott an, außerdem die Kritikerin Sibylle Cramer, der Lyriker und Herausgeber Anton G. Leitner sowie die Übersetzerin und Lyrikerin Ilma Rakusa./ Darmstädter Echo 15.3.01
Rafaela Chacon Nardi ist in Havanna im Alter von 75 Jahren gestorben. Ihr erster Gedichtband war 1948 unter dem Titel «Viaje al sueño» (Reise zum Traum) erschienen. Ihre Werke wurden ins Englische, Französische und Russische übersetzt. (sda) Neue Zürcher Zeitung, Ressort Feuilleton, 14. März 2001
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