Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
408 Wörter, 2 Minuten Lesezeit
Gonzalo Rojas
(*20. Dezember 1916 in Lebu, Chile; † 25. April 2011 in Santiago de Chile)
KONZERT
Sie alle schrieben das BUCH miteinander, Rimbaud
malte das Summen der Vokale; keiner
wußte, was der Christus
diesmal in den Sand schrieb! Lautréamont
heulte lange, Kafka
loderte wie ein Scheiterhaufen in seinen Papieren: Was
vom Feuer für das Feuer ist; Vallejo
starb nicht, das Steilufer
war von ihm erfüllt wie das Tao
voller Leuchtkäfer; andere
blieben unsichtbar; Shakespeare
inszenierte das Schauspiel mit zehntausend
Schmetterlingen; wer jetzt durch den Garten ging, mit sich
selbst redend, das war Pound, ein Ideogramm besprechend
mit den Engeln, Chaplin
filmte Nietzsche; aus Spanien
kam mit dunkler Johannisnacht
durch den Äther: Goya,*
Picasso
im Clownskostüm, Kavafis
aus Alexandria; weitere schliefen
wie Heraklit in der Sonne schnarchend
von den Wurzeln weg: Sade, Bataille,
Breton selbst; Swedenborg, Artaud
und Hölderlin grüßten
traurig das Publikum vor
dem Konzert:
Was
machte dort der blutende Celan
zu dieser Stunde
an den Fensterscheiben?
Aus dem Spanischen von Tobias Burghardt, aus: Die Welt über dem Wasserspiegel. Berliner Anthologie. Hrsg. Ulrich Schreiber. Berlin: Alexander Verlag, 2001, S. 93.
*) An dieser Stelle finde ich die Übersetzung nicht perfekt, weil sie eine direkte Anspielung auf die „Noche oscura del alma“ des spanischen Mystikers San Juan de la Cruz (Heiliger Johannes vom Kreuz) verdeckt. Statt „mit dunkler Johannisnacht“ steht dort eher „Aus Spanien / kam mit der dunklen Nacht des Johannes vom Kreuz: Goya“ oder vielmehr zwar beides, aber das direkte Zitat „en una noche oscura“ und die Anspielung auf den Namen des Mystikers sollten nicht unter den Tisch fallen.
CONCIERTO
Entre todos escribieron el Libro, Rimbaud
pintó el zumbido de las vocales, ¡ninguno
supo lo que el Cristo
dibujó esa vez en la arena! Lautréamont
aulló largo, Kafka
ardió como una pira en sus papeles: – Lo
que es del fuego al fuego; Vallejo
no murió, el barranco
estaba lleno de él como el Tao
lleno de luciérnagas; otros
fueron invisibles; Shakespeare
montó el espectáculo con diez mil
mariposas; el que pasó ahora por el jardín hablando
solo, ése era Pound discutiendo un ideograma
con los ángeles, Chaplin
filmando a Nietzsche; de España
vino con noche oscura de San Juan
por el éter: Goya,
Picasso
vestido de payaso, Kavafis
de Alejandría; otros durmieron
como Heráclito echados al sol roncando
desde las raíces: Sade, Bataille,
Breton mismo; Swedenborg, Artaud,
Hölderlin saludaron con
tristeza al público antes
del concierto:
¿qué
hizo ahí Celan sangrando
a esa hora
contra los vidrios?
Ebd. S. 92
Neueste Kommentare