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Veröffentlicht am 23. Juli 2025 von lyrikzeitung
Albert Vigoleis Thelen
(* 28. September 1903 in Süchteln am Niederrhein; † 9. April 1989 in Dülken am Niederrhein)
Der Büchersaal
Aller Dichter An-die-Sterne-Greifen,
aller Denker Rechten mit der Welt;
Hoffnungen, die kühn ins Leere reifen,
Glauben, taub und blind auf Stein gestellt;
Liebe, die die Herzen meerhaft weitet,
Haß, der glühend über Leichen schreitet;
Freude, die aus Dunkel Licht bereitet,
Schmerz, der heilig übers Antlitz gleitet –:
wie dämmerst du und du und du im Düster
der Schäfte, die euch Hamen sind und Herd,
wie wird zum Schrei das schwelende Geflüster,
wenn eines Lesers Hand die Seiten kehrt...
Und neigt der Tag. Und wandeln sich die Bände
aus Rot und Gold und Blau ins Schwarz der Nacht.
Und aus den Schatten wachsen nackte Hände
und bahren kalt den Katafalk der Wände,
wo nur der Totenwurm im Holze wacht.
Aus: Albert Vigoleis Thelen, Im Gläs der Worte. Gedichte. Düsseldorf: Claassen, 1979, S. 22
Hamen = ursprünglich Fischernetz; (poetisch) Fangnetz, Rahmen, Behältnis; hier also: die Bücher(regale) als „Hüllen“ der Inhalte.
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: 1970er Jahre Lyrik, Albert Vigoleis Thelen, Bücher als Gräber, Bücherpoesie, Bibliothek, Claassen Verlag, Der Büchersaal, deutschsprachige Lyrik, Dichtung des 20. Jahrhunderts, Dunkelheit und Erleuchtung, Im Gläs der Worte, Lesemagie, Literarische Räume, Literatur und Tod, Lyrik über Bücher, Metapher des Lesens, Poetik der Stille, Schriftsteller vom Niederrhein, Sprache und Schweigen, Totensymbolik, Vergessene Dichter
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