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Am 10. April 1825 starb von eigener Hand Casimir Ulrich Boehlendorff, ein weitgehend vergessener Dichter der deutschen Romantik, dessen Werk erst postum Anerkennung fand. Sein schmaler lyrischer Nachlass, geprägt von existenzieller Tiefe, Naturerfahrung und metaphysischer Sehnsucht, stellt eine eigenwillige Stimme im Gefüge der romantischen Dichtung dar. Zum 200. Todestag drei Gedichte und ein Fragment aus dem Werk des Dichters.
Casimir Ulrich Boehlendorff
(* 16. Mai 1775, vermutlich in Mitau, Kurland; † 10. April 1825 in Markgrafen, Kurland)
Mein Lied.
[Bruchstück]
Ich singe nur ein kleines Lied,
Das nicht ins Weite ringet.
[...]
Aus: Casimir Ulrich Boehlendorff: Werke in drei Bänden. Hrsg. von Frieder Schellhase. Frankfurt am Main: Stroemfeld / Roter Stern, 2000, Band 2, S. 9
Von diesem Gedicht sind leider nur die zwei Zeilen übrig, die ein Zeitgenosse zu zitieren nötig fand.
Ode auf sich.
Dieser singt von Thebens Schlacht,
Jener, wie der Griechen Macht
Einst vor Troja sich geschlagen
Ich – von meinen Niederlagen;
Keine Fußarmee, kein Reiter
Haben jemals mich besiegt,
Mich bezwang, o Freund, ein Streiter,
Dem der Pfeil vom Auge fliegt.
Ebd. S. 149
Dieses in der Werkausgabe 2000 zuerst gedruckte Gedicht ist die Übersetzung einer Ode des griechischen Dichters Anakreon.
Ungestilltes Sehnen.
Soll ich immer weiter wandern,
Selten rasten, nimmer ruhn?
Ach! da komm' ich nur zu Andern,
Aber nimmer zu den Meinen;
Weiss von Keinen,
Die mit Lust mir Liebes thun.
Zieht der Schwan in gold'nen Kreisen
Durch die blauen Himmelshöhn,
Denk' ich: könnt' ich mit Dir reisen!
Liebend findest du die Lieben;
Mich im trüben
Nebel will kein Herz verstehn!
Heimath ist mir längst entschwunden,
Lieb' und Frieden sucht mein Herz,
Hat sie nimmer doch gefunden;
Ach! es sucht bis zum Ermüden
Lieb' und Frieden!
Werd' nicht müd', mein armes Herz! –
Ebd. S. 198
Einsamkeit.
Mich treibt ein unerklärlich tiefes Sehnen
Durch's Leben hin;
Ich suche Frieden, ach! und finde Thränen,
Wo ich auch bin.
Kein Weib, kein Kind beschwichtigt meinen Busen
Im Lebensdrang,
Und es versagen selbst die holden Musen
Mir den Gesang.
Mich führt kein Weg zum heimathlichen Heerde,
O traurig Loos!
Nimm du mich auf, du heil'ge Mutter Erde,
In deinen Schoos!
Ebd. S. 199
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