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Jakub Lorenc-Zalěski (deutsch Jacob Lorenz; * 18. Juli 1874 in Radibor; † 18. Februar 1939 in Berlin)
Der sorbische Schriftsteller und Publizist, Großvater des deutschen und sorbischen Dichters Kito Lorenc, wurde heute vor 150 Jahren geboren. Hier eins seiner Gedichte, ins Deutsche übersetzt von Kito Lorenc. Vorangestellt habe ich die Biografie aus der von Kito Lorenc herausgegebenen Anthologie „Das Meer. Die Insel. Das Schiff“.
Jakub Lorenc-Zalěski
Auch Jacob Lorenz. Geboren 1874 in Radibor bei Bautzen als Sohn eines Kleinbauern und Tagelöhners. 1887-89 Präparande des Katholischen Lehrerseminars in Bautzen. Ab 1889 Zögling des Wendischen Seminars und deutschen Gymnasiums in Prag, das er nach anderthalb Jahren verließ, um in Sachsen die Forstlaufbahn einzuschlagen. 1891-93 Forst-Lehre in Dornreichenbach. 1893-95 Militärdienst in Wurzen. 1895 Forstamtsvolontär in Schirgiswalde, später in Belzig. Nach literarischen Anfängen in der Studentenzeitschrift »Kwetki« veröffentlichte er 1896 erstmals unter dem Autorennamen Zalěski (der-hinter-dem-Wald). 1898-1905 Oberförster in Strempt/Eifel. Übernahm 1905 die Aufsicht über die Wälder und Sägewerke des Thyssen-Konzerns in Oberlohberg bei Dinslaken/Niederrhein. 1920 Rückkehr in die Lausitz und Versuch, sich in Weißwasser, später im nahen Schleife als Unternehmer eine unabhängige schriftstellerische Existenz zu sichern. Aktiv in der Minderheitenpolitik und langjähriger Vorsitzender der sorbischen Autorenorganisation »Koło serbskich spisowaćelow«. Nach Repressalien seitens der Nazibehörden 1938 im Ruhestand in Berlin. Gestorben 1939. In der sorbischen Literatur vor allem als Erzähler hervorgetreten, hat Zalěski ab und an auch Gedichte verfaßt und um 1935 begonnen, seine bekannte Prosadichtung »Kupa zabytych« (Die Insel der Vergessenen, als Buch erstmals 1931 erschienen) in Verse zu fassen.
Letzte Stunde
Wenn der Mensch seine letzte Stunde von fern schon
schlagen hört, wenn Einsamkeit um ihn schattend wächst
und Knochenhände greifen nach ihm aus dem Dunkel,
so strauchelt sein Fuß, und vor ihm versinkt der Weg.
Wohl ist er noch Herr seiner Gedanken, doch versagen sie
den Dienst jetzt, fliehen ohne Wiederkehr, je mehr er sie ruft.
Von weitem hört er das Rauschen des Flusses Kidron,
strengt den Blick an, doch sieht er weder Furt noch Ziel.
Flammen schlagen aus ihm, er entbrennt wie Zunder,
aus tiefster Finsternis gehn zwei Lichter ihm auf,
und mit andern Augen blickt er durch sie in die Welt:
Sich selbst erblickt er, sieht, daß er flieht aus ihr.
O halte ein, flüchte nicht – es tost das Meer.
Schau doch zur Linken, dort locken Frohsinn, Tänze und Lust!
Wirf ab den Mantel, streich aus den Augen das Tränengespinst,
schnell spring ins Boot, setz über zum jenseitigen Ufer.
Aus dem Obersorbischen von Kito Lorenc, aus: Kito Lorenc (Hrsg.), Das Meer Die Insel Das Schiff. Sorbische Dichtung von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ins Deutsche übertragen von Kito Lorenc, Albert Wawrik, Róža Domašcyna u.a. Mit einem Geleitwort von Peter Handke und einem Nachwort von Christian Prunitsch. Heidelberg: Wunderhorn, 2004, S. 183
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