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Emily Dickinson findet einen Zugang (zu Sappho, zu Dante) über alte Bücher. Seltsamerweise auch bei Ihr Moder, moulder, aber nicht abschreckend, sondern vergnügt:
Emily Dickinson
A precious — mouldering pleasure — ‚tis —
To meet an Antique Book —
In just the Dress his Century wore —
A privilege — I think —
His venerable Hand to take —
And warming in our own —
A passage back — or two — to make —
To Times when he — was young —
His quaint opinions — to inspect —
His thought to ascertain
On Themes concern our mutual mind —
The Literature of Man —
What interested Scholars — most —
What Competitions ran —
When Plato — was a Certainty —
And Sophocles — a Man —
When Sappho — was a living Girl —
And Beatrice wore
The Gown that Dante — deified —
Facts Centuries before
He traverses — familiar —
As One should come to Town —
And tell you all your Dreams — were true —
He lived — where Dreams were born —
His presence is Enchantment —
You beg him not to go —
Old Volumes shake their Vellum Heads
And tantalize — just so —
F569 (1863)
In der Übersetzung von Gunhild Kübler:
Ein kostbar — modriges Vergnügen –
Zu sehn ein Altes Buch —
Im Kleid seines Jahrhunderts –
Ein Privileg — denk ich –
Die ehrwürdige Hand zu fassen —
Dass unsre sie erwärmt —
Und ein – zwei Rückreisen zu tun —
In seine Jugendzeit –
Sein kurioses Urteil — prüfen —
Sein Denken zu erkunden
Zu Themen die uns alle angehn —
Die Literatur des Menschen –
Was die Gelehrten fesselte —
Was für ein Wettkampf lief
Als Plato sichre Größe – und
Ein Mann war – Sophokles —
Als Sappho — junges Mädchen war —
Und Beatrice getragen
Das Kleid das Dante — heilig sprach —
Stoff von viel hundert Jahren
Durchquert das Buch — vertraut –
Als käme Einer her –
Der lebte — als das Träumen aufkam —
Und nennt dein Träumen — wahr —
Seine Präsenz ist magisch —
Du bittest ihn – so bleib —
Den Pergamentkopf schütteln Bücher
So — foltert uns ihr Reiz —
Emily Dickinson: Sämtliche Gedichte. Zweisprachig. Übersetzt, kommentiert und mit einem Nachwort von Gunhild Kübler. München: Hanser, 2015
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