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Die Zeit war auch reif, als er ab 1956 die etwas marmorne Nachkriegszeit im literarischen Dänemark mit Gedichtbänden wie «Konfrontation» durcheinanderwirbelte, schon der Titel war das Programm einer neuen Epoche: Rifbjerg wurde zum Wortführer des dänischen «Modernismus». Konfrontation suchte er bis zum Schluss, erst kürzlich erhitzte er die manchmal etwas selbstzufriedenen dänischen Gemüter mit der provokanten Aussage, dass es im Königreich höchstens zweitausend begabte Köpfe gebe. Er war in seiner Heimat tatsächlich, was man in der Schweiz nur mit Frisch und Dürrenmatt und in Deutschland mit Grass, Walser und Enzensberger vergleichen kann: ein Intellektueller, der sich nicht nur zu Wort meldete, sondern tatsächlich auch etwas zu sagen hatte.
Daraus ersieht man schon, dass das ganz und gar Unprätentiöse seines Stils (sowohl literarisch als auch im zwischenmenschlichen Umgang) nichts mit übertriebener Bescheidenheit zu tun hatte. Herausfordernd war nicht nur sein Drang zum literarischen Experiment, sondern auch sein Hang zu publikumswirksamer Inszenierung. So dichtete er immer, wie der Kritiker und langjährige Weggefährte Torben Brostrøm einmal sagte, «an seinem eigenen Mythos mit». Kein Zweifel, Rifbjerg (den man nach einem Andersen-Märchen den «Grossen Klaus» nannte) war womöglich die wichtigste Institution des dänischen Geisteslebens, zumindest nach 1945.
(…) Die Lyrik war für ihn selbst immer die wichtigste Gattung, das «Herzstück der Literatur, der innere Motor jedes sprachlichen Kunstwerks». Dabei hatte er einen ungemein schnellen Blick und eine rasante Auffassung, deshalb wirken seine Gedichte so unmittelbar, ja beinahe zügellos; Hans Magnus Enzensberger hat das eine «gleichsam gedopte Intelligenz» genannt.
Es gibt von Klaus Rifbjerg etwa ein Dutzend Übersetzungen ins Deutsche, erstaunlich also, dass sein Tod, der schon am Ostersamstag dieses Jahres nach kürzerer, schwerer Krankheit eintrat, in den deutschsprachigen Ländern nicht wahrgenommen wurde*. Das mag daran liegen, dass Lyrik nicht gebührend beachtet wird, vielleicht auch daran, dass ein Grossteil seiner Romane in der DDR erschien und gar nicht erst in den Westen gelangte. / Peter Urban-Halle, Neue Zürcher Zeitung 27.4.
*) Sofern die Lyrikzeitung zum deutschsprachigen Bereich gehört, doch: Gestorben
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