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Ein Zwischenruf nach 200 Jahren von Raoul Schrott:
„Von den Ausländern hat man bestenfalls einen Pound hinter einer Vitrine im Wohnzimmer; die Weinflecken darauf aber rühren meist vom Vorbesitzer her. Sprachen, selbst noch lebende europäische, sind kein Thema: Französisch, Italienisch, Spanisch kennt man vom Hörensagen oder von der Menükarte…
Aber einiges ist doch bereits in Übersetzung greifbar, werden Sie einwerfen, und das Interesse müßte doch vorhanden sein? Ich kann Ihnen jetzt versichern, von dem, was die moderne Poesie in den letzten Jahrzehnten ausmachte, und wenn´s nur die Nobelpreise sind – Milosz, Brodsky, Walcott, Heaney etc. -, auch da werden Sie nur in Ausnahmefällen jemanden finden, mit dem Sie darüber ein paar vernünftige Worte wechseln könnten. Wie die arbeiten und worüber, ist für speziell deutsche Verhältnisse nicht von Belang…“
Raoul Schrott: Fragmente einer Sprache der Dichtung. Grazer Poetikvorlesung. Literaturverlag Droschl, 1997, S. 10-11
(18 Jahre her. Täuscht der Eindruck, daß sich das zumindest in Szenen mählich ändert? Es gibt spannende Übersetzungsprojekte, neue Verlage mit internationalem Profil, mehrsprachige Veröffentlichungen meist in kleineren Verlagen und Zeitschriften, ferner unter uns lebende Dichter arabischer, türkischer, persischer, ungarischer, polnischer, russischer, ukrainischer, bosnischer, tschechischer, englischer, spanischer etc. pp. Sprachherkunft, viele von ihnen switchen zwischen den Sprachen und sind vermittelnd tätig… wer weiß, was noch kommen mag. Darüber befinden doch nicht die fremdenfeindlichen Spießer auf manchen Straßen!)
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