61. Vor 125 Jahren wurde Anna Achmatowa geboren

In den schrecklichen Jahren des Justizterrors, so Anna Achmatowa zu Beginn ihres »Requiems«, wurden Freunde wie der Dichter Ossip Mandelstam umgebracht, ihr Sohn und ihr damaliger Lebensgefährte verhaftet und ins Lager deportiert. Es war die Zeit der Willkür und Entbehrung, die Zeit eines nicht enden wollenden Alptraums. Protokolliert hat sie diese düstere Phase ihres Lebens sowohl im »Requiem-Poem« als auch im »Totenkranz«-Zyklus: »Ich kannte viele früh gewelkte Frauen,/ Von Schrecken, Furcht, Entsetzen ausgeglüht./ Des Leidens Keilschrift sah ich eingehauen/ Auf Stirn und Wangen, die noch kaum geblüht.«

Während der faschistischen Blockade Leningrads wurde sie nach Taschkent evakuiert, wo sie, selbst gesundheitlich angeschlagen, verwundeten Soldaten Gedichte vorlas. In dieser Zeit der Bedrohung von außen verfaßte sie patriotische Gedichte, die in der Prawda, der Zeitung der Kommunistischen Partei, veröffentlicht wurden, und begann ihre aus Erinnerungs- und Traumfragmenten und vielen literarischen Reminiszenzen zusammengesetzte Versdichtung »Poem ohne Held«, die erst 1976, zehn Jahre nach ihrem Tod, vollständig erscheinen konnte. Im Mittelpunkt stehen der Mythos von St. Petersburg, die Epoche des »Silbernen Zeitalters« und die Künstlerbewegungen des Symbolismus und Akmeismus. Sie verstand ihre im Ton »beherrschten Entsetzens« verfaßte Lyrik als Antwort auf die repressive Politik der Stalin-Herrschaft, insbesondere auf das rigide Vorgehen von Andrej Shdanow, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs Kulturkommissar wurde und »bürgerlichen« Schriftstellern, Komponisten wie Alexander Prokofjew und Dmitri Schostakowitsch, aber auch dem Regisseur Sergej Eisenstein das Leben schwer machte.

Achmatowas Werke wurden in der Sowjetunion erst nach Stalins Tod 1956 wieder publiziert. 1964 erhielt sie den Ätna-Taormina-Preis und 1965 die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford. Zwei Jahre vor ihrem Tod wurde sie Vorsitzende des Schriftstellerverbandes, aus dem sie 1946 ausgeschlossen worden war. / Christiana Puschak, junge Welt

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