95. flüchtig zu fixieren

Der Schweizer Dichter Kurt Aebli hat schon immer ein Faible für das Momenthafte. „Unbemannter Augenblick“ heißt etwa ein Stück aus einem früheren Band mit Miniaturen, der nicht von ungefähr den Titel „Ameisenjagd“ trägt. Allerdings wusste Aebli das Gesetz von Ursache und Wirkung oder die Vorstellung eines hübschen Ablaufs, die in der gewöhnlichen Wahrnehmung bestimmend sind, stets in Frage zu stellen, und sei es mit einer „verbeulten Logik des Vergessens“. Nun tastet er dem Augenblick auf eher vertraute Art und Weise nach. „Das Gesehene mir einzuschreiben“, lautet eine der Aufgaben in seinem neuen Buch, oder auch „das beiläufig Registrierte / flüchtig zu fixieren“.

Doch es sind durchwegs paradoxe Unternehmen, die Aebli aufruft. Der Schreibende ist für das Festhalten des Augenblicks immer schon zu schnell und zu sehr gebunden durch die Abstraktionen der Begriffe. Aebli reflektiert diese Fragen in seinen Gedichten – und findet eine Lösung, die selbst wieder paradox anmutet: „Kein Wort fasst / die Fülle / des Augenblicks. // Nur davon / spricht / das Wort. // Nur das Wort, das davon spricht, / hat seine Sprache / gefunden.“

Das ist zwar einleuchtend, aber auch einfach gesagt. Und so gehören jene Gedichte, in denen Aebli über das Schreiben nachdenkt, nicht eben zu den aufregendsten des Bandes. Sein Können entfaltet er indes, wenn er Beschreibungen in metaphorische Wendungen überführt.

Und wenn er sich über all die zuvor fein ausgemachten Widersprüche hinwegsetzt und den Augenblick doch mit seiner Sprache fassen will: „An einem schwülen Tag plötzlich des Teufels / Schneeflocken, schwarzes / Schneetreiben, / surrend und schwirrend, aufgewirbelt / von Pferdeäpfeln am / Waldrand“. / Nico Bleutge, Süddeutsche Zeitung 20.5.

Kurt Aebli: Tropfen. Gedichte. Edition Korrespondenzen, Wien 2014. 118 Seiten, 18 Euro.

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