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Martin Piekars Debüt „Bastard Echo“, soeben im Berliner Verlagshaus J. Frank erschienen, mischt augenzwinkernden Weltschmerz mit literarisch-philosophischer Hochkultur, Michael Zander steuert liebenswürdig-infantile Illustrationen bei, und irgendwo dazwischen lösen sich die Unterschiede zwischen Nietzsche und Cradle Of Filth in Wohlgefallen auf. Die Schauplätze sind Hauptbahnhöfe, Festivalgelände, Konzerthallen, Schlafzimmer, Dixieklos und Rausch, es geht um Ichsuche, Suff, Sex und Liebe und um gute Bücher, um Sprache und Sprachspiele, und mit letzteren geizt Piekar nicht, fast jedes Gedicht ist ein Feuerwerk an Ideen – und im Hintergrund schrammelt immer irgendwo eine tiefergestimmte Gitarre. Oder ein Bass. Je nachdem.
„durch diese Wände / bin ich nie gegangen, aber Risse / in ihnen und mir sind manchmal / deckungsgleich“ heißt es in dem kleinen Hbf-Zyklus von Frankfurt über Leipzig bis Köln. Und im „Bedürfnis nach dir und Kirschblüte“ rascheln die Laken: „Im Moll des Frühlings wachsen wir / Lippenblütig und nackenverzahnt / Love is always over in the morning“.
Diese Lyrik ist jung im besten Sinne, in Ton und Haltung, sie verarbeitet den akademischen Bildungshorizont, der dieser Dichtergeneration immer wieder angelastet wird, ohne ihn allzu wichtig zu nehmen, hier wird nichts auf Sockel gehoben, sondern auf den Boden geholt, zur Not auf den schmutzigen bierlachigen einer Tanzfläche. Und nebenbei wird im Zwiemonolog mit Büchner an Hauswände gepisst. Das war schon bei Rolf Dieter Brinkmann sympathisch.
(…)
Eine Zeitlang konnte man befürchten, die vielbeschworene Lyrikblüte sei eingegangen oder wenigstens eingeschlafen, aber derzeit taucht eine neue Dichtergeneration um die zwanzig (oder drunter) auf, die mächtig neuen Wind ins Gemäuer bringt. Martin Piekar ist einer von ihnen. Wenn das die neue junge deutsche Lyrik ist: immer her damit, mehr davon. Bitte!
/ Gerrit Wustmann, Fixpoetry
Martin Piekar
Bastard Echo
Illustration: Michael Zander
Verlagshaus J. Frank
2014 · 13,90 Euro
ISBN: 978-3-940249-90-6
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