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SZ: Ihr erster großer Sammelband, erschienen im Jahr 1966, hieß ‚Tod durch Musen‘. Können Sie sich den Titel noch erklären?
Friederike Mayröcker: Mein Gedanke war, dass man als Schreibender, wenn man es ganz intensiv betreibt, so wie ich es gemacht habe und immer noch mache, an einen Punkt kommt, wo man kaputt geht. ‚Tod durch Musen‘ ist ganz buchstäblich zu verstehen. Wenn der Schreibende das Äußerste hergibt, erreicht er das Ende. Und die Musen sind schuld daran. Das war mein Gedanke damals.
Dann sind Musen also eher verderberische Wesen. Aber haben sie nicht auch etwas Freundliches?
Nein, man gibt sich ja total her. Man schreibt, bis einem die Schreibmaschine aus der Hand fällt. Die Musen sind schuld daran, dass man kaputtgeht.
(…)
Gibt es für Sie so etwas wie weibliches Schreiben?
Das ist eine sehr heikle Frage. Ich glaube nicht, dass es ein weibliches Schreiben gibt. Es gibt eine gute Kunst, und es gibt eine miserable Kunst, dann ist es eben keine Kunst mehr. Was jetzt so getrieben wird mit weiblicher Kunst oder dass man die ‚Dichterinnen‘ unter Anführungszeichen fördern müsse, das ist alles missglückt. Denn wenn ein Mensch schreibt und die Sache gut ist, ist es ganz egal, ob es eine Dichterin oder ein Dichter ist. Es muss gut sein. Es muss erstklassig sein, dann ist es auch egal, ob es ein weiblicher Dichter ist oder ein männlicher. Ich bin also sehr skeptisch, was die Förderung der ‚Dichterinnen‘ betrifft. Es wird da einiges gefördert, das nicht förderungsfähig ist. Da stoße ich mit meiner Meinung manchmal auch auf Widerstand.
Sollte man Kunst dann überhaupt öffentlich fördern?
Das ist eine Frage, die ich mir auch oft stelle. Ich denke, man spürt, was man fördern sollte. Man braucht nur ein paar Seiten eines jungen Autors zu lesen, dann weiß man, ob es Zukunft in sich trägt oder nicht. Wenn ein junger Autor etwas verspricht, dann sollte man ihn fördern.
Michael Stallknecht sprach mit Friederike Mayröcker, Süddeutsche Zeitung 7.10.
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