29. Weltbürger aus Niš

Reisefreiheit, kulturelle Vielfalt, Autonomie der Kulturszene und nicht zuletzt Rock ’n’ Roll – das schien für die heutige Generation 50+ in Titos Jugoslawien das große Versprechen der Weltzugehörigkeit zu sein. Das Lebensgefühl der damaligen Protagonisten war eine Mischung aus Zuversicht, Übermut und Rebellion. Der beste Ausdruck dieses Lebensgefühls waren sicherlich die Rockmusik und die Lyrik – insbesondere die frühe Lyrik von Zvonko Karanović. Die urbane Abwendung von jeglicher Provinzialität wurde vollzogen, programmatisch und praktisch, in der Lyrik und im Lebensstil.
Danach kam die Ernüchterung – im zerfallenden Land organisierten sich politisch und kulturell die Mehrheiten um die rückwärtsgewandten Utopien – die große Zukunft lag für sie in der ruhmreichen, ethnisch definierten Vergangenheit. Zvonko Karanović lehnte es ab, in diesem Massenchor mitzusingen, und folgte seiner eigenen Stimme. So blieb seine Lyrik im Jahrzehnt der Zerfallkriege notgedrungen marginalisiert. Er blieb ein Weltbürger aus Niš, der seine Seelenverwandtschaft mit Leuten wie Jack Kerouac oder Allen Ginsberg, Ralf Dieter Brinkmann oder Luis Buñuel, David Lynch oder Leonard Cohen offen zeigt.
Im Klagenfurter Drava Verlag ist eine Auswahl seiner Gedichte zweisprachig (serbisch und deutsch) erschienen: „Burn, baby, burn!“, übersetzt von Matthias Jacob und Alida Bremer. / Frank Milautzcki, Fixpoetry

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