74. 100 Dichter, 100 Filme

Viele Formen der Literatur leiden im Zeitalter der digitalen Information unter Vernachlässigung. DIe Lyrik, eine der beliebtesten literarischen Formen in China, ist das beste Beispiel.

„Die meisten Verleger wollen heute keine Gedichte veröffentlichen, weil es wirtschaftlich nicht lohnt“, sagte Hai Xiao, eigentlich Deng Liqun, der mit seiner Hai-Xiao-Trilogie 2006 bekannt wurde.

„In China gibt es heute höchstens 100 ‚echte‘ Dichter. Die meisten, die sich Dichter nennen, produzieren unoriginelle minderwertige Arbeit“, sagte er der Global Times.

Die Dichter suchen neue Wege, um diese Barrieren zu brechen.

Am 8.Juli wurde der „poetry film plan“ in Peking gestartet. Auf Initiative von Hai Xiao will das Programm 100 zeitgenössische chinesische Gedichte in kurzen Filmen präsentieren.

In Zukunft sollen auch klassische und ausländische Gedichte verfilmt werden.

Die erste Episode soll im Oktober herauskommen. Es geht um das Gedicht „Facing the Sea, with Spring Blossoms“ von Hai Zi (Zha Haisheng), 1964-89, einem einflußreichen modernen Dichter.

Die Filme sollen auch in Fremdsprachen übersetzt werden, darunter Englisch, Deutsch, Französisch und Japanisch.

Einige chinesische Wörter:

Literature文学 (wén xué)
Poetry诗歌 (shī gē)
Poet诗人 (shī rén)
Lyrical抒情的 (shū qíng de)
Aesthetics美学 (měi xué)

/ Global Times

10 Comments on “74. 100 Dichter, 100 Filme

  1. Einige der asiatischen Sprachen sind aus vielen Gründen für intermediale Experimente eher geeignet, als die modernen Formen des Indoeuropäischen, die ein noch schärferer Grad an Arbitrarität auszeichnet. Das Problem der Überexplikation (im Kontrast zu sanften, assoziativen Vorgehensweisen) in Verbindung mit der vorauseilenden Erfüllung kruder Rezeptionshaltungen besteht allerdings auch dort.

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  2. hmm, ich habe es eher vermutet, weil Du doch aus aus diesem Hallenser Kreis stammst mit Schinkel und Bartsch und so, die den auf alle Fälle kennen. Ansonsten: Kirsch beruft sich auch auf Pound, also wenn Du dessen Haltungen zum Chinesischen kennst, kannst Du drauf verzichten. Ansonsten mag ich nicht drüber spekulieren … geht halt darum, dass das chinesische weniger Abstrakt ist sondern bildlich. (da gehts um die Wortbildung und die Grammatik, von der das behauptet wird.) Also, wie stehst Du zu der These, dass die Bildung z.B. von Farbwörtern, oder die Satzbildung des chinesischen eine Visualisierung eher nahelegt, als die abstrakt diskursiven indoeuropäischen Sprachen?8Und dass dies ev. keine Einschränkung bedeutet, weil der Chinese sowieso schon rein sprachlich eher Bilder in sein privates Konzept laufend übersetzt, wenn er nur spricht? So ungefähr die Richtung (aber wirklich ohe Experte zu sein).

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    • ich werfe hier erst mal nur meine sprachwahrnehmung in den ring und die iste egal ob bei deutschen, englischen oder latainischen (schulbuch-) texten immer sehr stark mit bildern verbunden oder abbildungsvorstellungen. insofern würde ich deren vorwegnahme wohl überall bemängeln, sobald es richtung leinwand geht. was mich an dieser entwicklung außerdem beschäftigt ist die frage der textpräsentation im film: wird der als untertitel zu lesen sein oder eingesprochen werden, wenn ich ihn denn dann auch noch auditiv vorinterpretiert bekomme, werde ich nämlich wenig chanchen haben irgendwann mal ein „anderes“ gedicht im abgebildsprochenem gedicht zu finden (zum beispiel meiner tagesform, meiner erweiterten lebenserfahrung oder stimmung entsprechend).
      meine leitfrage, gegen die ich eigangs schnurgerade ins feld gezogen bin ist allerdings: bietet die literarische übertragung von xy eine weniger „fixierte“, als wiederum deren übertragung in bild und film und wie verhält es sich mit einer musikalischen interpretation der wirklichkeit xy im verhältnis dazu? mein ranking wäre: 1. musik, 2. literatur und 3. bild/film (im sinne einer dem rezipienten größtmöglichen verstehensfreiheit).

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  3. Ich kenne den Kirsch-Text nicht und vielleicht muss ich ihn auch gar nicht mehr lesen, nachdem du angenommen hast ich würde ihn kennen, weil dessen Gedanken ja auch von jedem anderen Mal gedacht werden können, sie keiner Person zuzuordnen sind / sich jeder zu ihnen dann auch positionieren kann (Wenn ich das Wuji hier richtig verstehe).

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  4. Meine Kenntnisse des chinesischen sind auch schlecht. Eigentlich wäre mir eine Verfilmung von gerade chinesischen Gedichten (wenn man es so pauschal in den Raum stellen kann) besonders plausibel (germ meinetwegen als Gesamtkunstwerk Tonfilm). Ich weiß aber nicht sehr viel drüber. Du kennst aber sicher z.B. Kirschs „Das Wort und seine Strahlung“. Wenn Du nachreichen würdest, dagegen zu argumentieren (solche Vorstellungen als naiv hinzustellen scheint ja gerade Ziel Deiner Bemerkungen) dann würde ich als Laie besser mitkommen.
    Dies sei vorasugeschickt, denn ich möchte eine sich anlassende Debatte nicht dadurch wegdrehen, dass ich auf einen Nebenaspekt eingehe: Man kann aus der indogermanischen Prosodie eine Menge herausholen. Entweder durch nachbilden und überspitzen von Tonfällen und oder, indem man ein Musikstück dahin streben lässt und dieses Streben durch eine feste Bindung an ander Strukturvorgaben erschwert und so eine Spannung erzeugt. Ich meine jetzt nicht Schönberg und die Folgen, wo sichj so etwas von selbst versteht, es aber für die Leute immer zu spröde wird. Letzteres findet man ja schon in Bachschen Rezitativen. Ersteres konsequenter zu tun unterscheidet z.B. die Eichendorfvertonungen Schumanns von den Heinevertonungen desselben. Sehr gelungen und ganz eigene Unsiversen schafft diese Herangehensweise bei Wolf und Leos Janacek. Auch wenn man kein Tschechisch versteht, kann man den nicht nur als eine Art quasiimpressionisten hören, sondern manches Klavierstück klingt, wenn man sich hinein gehört hat, als würden in allen Stimmen Leute reden.

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  5. Im Grunde wollte ich nur besser verstehen, was Dich sagen lässt, dass „eine übertragung ins musikalische sinnvoller [ist]“ – auch oder gerade im Verhältnis zur „Verfilmung“. Was ich vor allem höre (aber vielleicht missverstehe ich Dich auch), ist ein gewisser Generalverdacht hinsichtlich der Verfilmbarkeit literarischer Texte. Gerade chinesische Gedichte (lassen wir die anderen mal aussen vor) sind ein sehr interessanter Aufhänger, um sich über die Umwandlung sprachlicher in visuelle Bilder Gedanken zu machen. Deshalb auch meine Frage, wie viele Texte Du im Original kennst. Wenn man sich mit chinesischer Kunst auseinandersetzt, wird man schnell feststellen, dass die Grenzen zwischen z.B. Malerei und Literatur oft fliessend sind. Es gibt viele Künstler, die „Gesamtkunstwerke“ aus Schriftbild, zeichnerischem Bild und sprachlichem Bild geschaffen haben. Ich greife einfach mal einen heraus: http://de.wikipedia.org/wiki/Shi_Tao. Im Wikipedia-Eintrag findest Du diese „umfassende“ Kunstauffassung in ähnlicher Weise angerissen. Das Buch „Aufgezeichnete Worte des Mönchs Bittermelone zur Malerei“ kann ich empfehlen. Ich habe gedacht, dass hinter Deiner These etwas steckt, ein Wissen, eine Auseinandersetzung, die über, sagen wir, ein sprachtheoretisches Verständnis des Chinesischen hinausgeht. Ich will mich nicht in die Bresche werfen für diese Art „Literaturverfilmungen“. Auch ich habe meine Zweifel, was da herauskommt. Wenn ich allerdings die chinesischen Quellen anschaue, die ich kenne, bin ich gespannt, ob nicht doch etwas „Gültiges“ entstehen kann. Gerade weil die chinesische Kunst zum Teil einen Unterbau in daoistischen Weltanschauungen hat, wo es das Konzept des Wuji gibt: http://de.wikipedia.org/wiki/Wuji. „Wuji kann als Beschreibung eines undifferenzierten Zustands des Universums aufgefasst werden, der reine Potentialität darstellt, noch keine voneinander unterschiedenen Objekte enthält und zugleich Ursprung aller Objekte ist.“ Mag vielleicht esoterisch klingen, was ich andeuten möchte ist, dass es eine lange Tradition der Universalität, des Eins-Seins auch in Bezug auf die Künste gibt. Ich weiss nicht, wie stark dieses Gedankengut heute noch ist. Eins finde ich jedoch missverständlich: Wenn man die europäische Deutung auspackt und mit unserem westlichen Theorieapparat andere Ansätze zur Kunst ausleuchtet. Ein prominentes Beispiel ist die Kunst aus Benin (http://en.wikipedia.org/wiki/Benin_art). Auf Wikipedia ist leider sehr unvollständig nachzuvollziehen, was für Missverständnissen man dabei aufgesessen ist. In der Kunstgeschichte ist die Kunst aus Benin allerdings ein beliebtes Beispiel zur Veranschaulichung unterschiedlicher Auffassungen hinsichtlich der Funktion von Kunst. Mein Plädoyer hier will Ähnliches: Argumente für Transparenz in der Auseinandersetzung liefern. Gerade dort fängt es an, interessant zu werden… Vielleicht bekommen wir ja bald einen Film zu sehen. Und vielleicht sage ich hinterher auch, ich hätte lieber etwas gehört als gesehen (um am Ende wieder zu sehen).

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    • Nein nein, ich hege keinen Generalverdacht und mit Sicherheit wird etwas „Gültiges“ dabei herrauskommen. Das steht ja auch gar nicht zur Debatte. Zur Frage steht ja auch nicht das warum dieser Verfilmungen, sondern das wozu und welche Erwartungen daran geknüpft werden. Hier gebe ich zu bedenken, ob(natürlich aus meiner persönliche Rezeptionsbiographie) nicht ein andres Medium vorzuziehen wäre. Zweifelsfrei befruchten sich die verschiedenen künstlerischen Medien, aber es gibt wohl auch einen Grund, weshalb sie sich parallel entwickeln.

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  6. sprache durch bilder sprechen zu lassen schränkt sie in ihrer wirkungswirklichkeit doch wohl eher ein, als sie zu erweitern;
    leistet doch schon interpretationsarbeit (zum beispiel die größes des käfigs in dem wir rilkes panther kreisen sehen).
    für die chinesische sprache (als tonsprache) wäre wohl eine übertragung ins musikalische sinnvoller.

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    • Sprichst Du Chinesisch? Wie viel hast Du im Original gelesen? Bin gespannt auf Beispiele, die Deine These stützen.

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      • Lieber Thilo,
        ich spreche leider kein Chinesisch und habe daher auch keine chinesischen Gedichte im Original lesen können. Dass es sich dabei aber um eine Tonsprache handelt ist recht einfach zu recherchieren, auch wodurch sich eine Tonsprache auszeichnet. Im Gegensatz zu unserer Akzentzählenden Sprache, halte ich den, schon auf Silbenebene distingtiven, Melodieverlauf z.B. des Mandarinchinesisch allerdings eher geeignet musikalisch begleiten/unterlegt oder gar ersetzt zu werden, als die lediglich terminal, progredient oder interrativen Melodieverläufe, die z.B. im Deutschen nur am Ende einer Phrase auftreten können. Ob unsere Tonleiter in ihren Ganz- und Halbtonschritten-, unsere „Ohren“ (weil es ja doch eher die Innenohren betrifft!) vielleicht sogar, als an ebendiese Tonleiter gewöhnt, sich jedoch zur Umsetzung bzw. Perzeption chinesischer Melodieakzente eignen, ist wieder eine andere Frage.

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