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In ihrer poetischen Sprache folgt die Autorin keinem klassischen Ideal, sondern ergründet sie in ihrem historischen wie regionalen oder auch subkulturellem Potential: Wenn sie das barocke Deutsch von Simon Dach zitiert, der noch von ‚Drangsals-trost‘ und ‚KranckheitArtzt‘ sprach, ein Gedicht in bayrischer Mundart verfasst – sie stammt selbst aus dem Allgäu -, oder an die Parole ‚Bildet Banden‘ erinnert, nun aber auf die Fans eines Skispringers gemünzt, in der Reihe Vierschanzengedichte. Bewegung ist nicht nur Tanz und Denken, Bewegung ist ebenso Sport. Und so gliedert sich der Gedichtband in Sinnabschnitte, die vom Tanz über das Denken zu verspielteren Themen führen: Wappenvögel, Apfelkunde, Skispringen. Es ist diese Vielfalt der poetischen Sprache wie der Themen und Anspielungen, die den Band zu einem literarischen Genuss machen, der keineswegs hermetisch ist. Nach den Diskotheken ist ein Buch im kulturellen Freiraum, fern der ideologischen Verengung, es ist ein Teil auch der Popkultur, ohne dem Stigma ‚Popliteratur‘ zu verfallen, sprich wiederum darin einseitig zu werden. Dass die Autorin die Band Chicks on Speed mag, verrät schon ihr Sprachspiel ‚Babes on Vorstellungskraft‘ – die Nachfrage bestätigte das nur. …
Ihre eigene Sprache bewegt sich zwischen Balance und Experiment, mutet nicht forcierte avantgardistische Akrobatik zu und verfällt doch nicht in bildungsbürgerliches Maßhalten. Vielmehr sucht sie die Leichtigkeit des avantgardistischen Erbes, die Fortführung seines Anspruchs im Zeichen des Austauschs, der Kommunikation, eben der heutigen Kultur. Um ein Beispiel zu geben:
„Ich lese aus dem Zyklus ‚Ein Buch des Körpers‘ und dem sind zwei Zitate voran gestellt. Eines ist von Augustinus: ‚Unsere Leiber leben aus uns, indem sie uns anhangen‘. Das andere ist von Xavier Le Roy, ein zeitgenössischer Choreograf: ‚Warum sollte der Körper an der Haut enden?‘ Figur I: ‚Der Körper ein Rucksack, gut durchblutet,/ immer unterwegs zum Kräftemessen mit den Gedanken,/ über Wertstoffhöfe, Kompost?/ Mein linker Arm beschreibt kleine Kreise./ Ich fürchte, die Gene. Sternfeuer aus Abfall./ Ich schleppe an einer Qualle, einem Blasebalg,/ mit allem vertraut, was an mir haftet/ an Glanz./ Ich lade auf, werfe ab,/ schnips mit den Fingern, und puff./ Werde ich spüren, dass ich nichts wiege,/ zwischen die Lichtbündel hüpfen,/ die Spotlights schleudern?‘
/ Volkmar Mühleis, DLF 21.7.
Martina Hefter: „Nach den Diskotheken“
Gedichte
erschienen im Kookbooks Verlag
80 Seiten. 19,90 Euro
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