42. Ecce poeta

Selten präsentierte sich die vermeintlich schwer zugängliche, oft selbstreferenzielle Poesie so erzählerisch und wirklichkeitsnah wie bei der nun zehnten Ausgabe von „Lyrik im Gespräch“ (eine gleichnamige Dokumentation von Grubers Nachfolger Ferruccio Delle Cave und Martin Hanni ist soeben im Bozener FolioVerlag erschienen, mit Audio-CD). Erstmals waren die Texte der neun Finalistinnen und Finalisten sämtlich „unter der nördlichen Automatensonne“ Deutschlands entstanden. Diesen Himmelskörper beschreibt Andre Rudolph mit einer anziehenden Mischung aus Ironie und Leichtigkeit in „confessional poetry“. Schnell war sich die ebenso konziliante wie profund urteilende Jury – bestehend aus Ulla Hahn, Ilma Rakusa, Hans Jürgen Balmes, Christoph Buchwald und dem Innsbrucker Germanistikprofessor Wolfgang Wiesmüller – einig: Ecce poeta, und zwar ein sehr gegenwärtiger, der in einem freien Ton und unverbrauchten Bildern dichtet. …

Auch ein „rundes gedicht“ von Undine Materni aus Dresden bekam gefiederten Besuch – von einer Taube, die sich aus Gedicht und Gedanken nicht mehr vertreiben ließ. Doch Materni geriet wie Myriam Keil mit ihrer resignativ-bissigen Großstadtlyrik oder Eva Christina Zeller, die anrührend schlicht über Menschen- und Autofriedhöfe schreibt, ins Visier des etwas selbstgerechten Klischee-Detektors von Christoph Buchwald. / Katrin Hillgruber, FR 10.5.

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