79. Patrizia Cavalli deutsch

Sie trägt ihre Gedichte auswendig vor, im Stehen, und mit jeder Hebung wiegt sie sich ein bisschen mehr in den Rhythmus der Sprache hinein. Assonanzen und Reime steigen wie Luftbläschen auf und zerplatzen, jede Schlusswendung ist der Auftakt zu einem neuen Text, und zwischen den Gedichten entspinnen sich Klangkorrespondenzen, untergründige Bezüge, ein Frage-Antwort-Spiel. Sprache wird Musik. Es entsteht ein Sog, der die Zuhörer mitreisst. Einen Moment lang erreicht Patrizia Cavalli genau das, was sie in vielen Versen beschwört: die Auflösung der Zeit, einen punktuellen Stillstand.

Es geht um kleine Epiphanien, Momente, in denen das lyrische Ich unvermutet eins wird mit seiner Umgebung und sich aufgehoben fühlt im eigenen Dasein. Dieser Zustand kann immer nur von kurzer Dauer sein. «So etwas passiert ausser in Gedichten nur beim Kartenspiel oder beim Sex», kommentiert die 1947 in Todi geborene Lyrikerin im Gespräch. / Maike Albath, NZZ 8.4.

Patrizia Cavalli: Diese schönen Tage. Ausgewählte Gedichte 1974–2006. Aus dem Italienischen von Piero Salabé. Mit einem Nachwort von Giorgio Agamben. Edition Lyrikkabinett, Carl-Hanser-Verlag, München 2009. 152 S., Fr. 26.90.

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