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Benn ist erstaunlich anschlussfähig an die künftige spät- und postmoderne Wahrnehmung, er bricht das Pathos, wenn es übermächtig zu werden scheint, und versetzt seine Sprache immer häufiger mit Alltagsslang, mit Anspielungen an die Populärkultur. Der Benn-Sound spielt mit Elementen des Pop, bevor es einen Begriff dafür gibt. Benn neigt nicht zu großen Gefühlen. Aber da er sie trotz allem ständig in sich spürt, hebelt er sie durch eine zwischen Zynismus und abgründiger Weisheit ständig changierende Artistik immer wieder aus. Einmal schickt ihm sein Brieffreund Friedrich Wilhelm Oelze eine Liste mit Fragen zu den neuesten Manuskripten, und bei Oelzes Frage nach dem Begriff »Colt« entfährt es Benn: »Colt – aber, Herr Oelze! Lesen Sie keine Kriminalromane? Ich ständig, wöchentlich 6, Radiergummi fürs Gehirn – ein berühmter amerikanischer Revolver, ohne den kein Scotland Yardmann auftritt.«
Damit lässt Benn die zeitgenössische deutsche Diskussion um »Geist« und Schicksal weit hinter sich. Benn hat aber auch eine Neigung zum Schlager. Blumen und Pflanzen leisten ihm immer wieder gute Dienste zur Seinsvergewisserung. Die Anemone kommt vor und einmal auch die Eberesche, am meisten hat es ihm allerdings die Rose angetan, und man kann sich das durchaus auch in einer anderen Form vorstellen, gesungen von der dunklen Stimme Zarah Leanders:
Wenn erst die Rosen verrinnen
aus Vasen oder vom Strauch
und ihr Entblättern beginnen,
fallen die Tränen auch.
/ Einführung in das Thema durch den Kurator der Ausstellung „Doppelleben“ Helmut Böttiger >>lesen
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