32. Geistige Gummibärchen 3: Kekilli und kein Ende…

mit dem Thema beim Spiegel. Jetzt heißt sie „Die Porno-Rebellin“ – so die Überschrift. Rasanter Start:

Ausgerechnet am Weltfrauentag stellte sich die Schauspielerin Sibel Kekilli erstmals nach der Enthüllung ihrer Porno-Vergangenheit der Öffentlichkeit.

Leider wurde sie nicht vom Spiegel befragt, denn
Leider sparte sich der ARD-Talker die interessantesten Fragen.
Welche auch immer das wären – wir werden es erfahren. Der Spiegelbericht jedenfalls gibt ein gutes Beispiel für die Einheit von Poesie und Information. (Wären wir beim Fernsehen, wir sprächen von Infotainment. Riskieren wir also angesichts der Poetizität des Blattes eine Worterfindung (?): Poetainment?) Im folgenden Zitat beachte man den scharfen Abschnitt zwischen dem investigativen ersten und dem mehr poetischen zweiten Teil:
In vielen Videotheken liegen nun DVDs mit Kekillis Porno-Auftritten schön griffbereit neben der Kasse.

Doch Deutschland ist großzügig und gewährt gern die zweite, beziehungsweise dritte Chance. Und es funktioniert wie bei Michel Friedman oder Jörg Immendorff – wer in der Hölle der Medien zu verbrennen droht, dem wird Gnade und Rettung zuteil durch die Medien, ebenjene Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft.

(Die Medien sind immer die andern). Wie Spiegel ein solches Gespräch geführt hätte, erfahren wir dann auch (man achte auf die rasante Genitivmetapher):
Auffallend war, dass Beckmann, der mit Sibel Kekilli offenkundig ein ausführliches Vorgespräch [!?] geführt hatte, einen besonders sanften Abend verlebte und auf jene Nachfragen verzichtete, mit denen er sich sonst gern in die Weichteile der Intimität [!] seiner Gesprächspartner gräbt. So ließ er etwa die These von der Porno-„Rebellion“ ebenso unbefragt gelten wie das Motiv des jungen Mädchens, das eben Geld brauchte und nicht mehr putzen gehen oder kellnern wollte.

„Hat es denn vielleicht auch Spaß gemacht?“, hätte er zum Beispiel fragen können, oder: „Kann es sein, dass diese Rebellion auch etwas mit sexueller Lust zu tun hatte?“

Poesie und Information prägen denn auch den Schlußakkord:

Ob hier, in unserer durchsexualisierten Fernsehgesellschaft, doch noch ein kleines Tabu lauert, der Humus für Bigotterie und Verlogenheit?

Wie viele eher männliche Zuschauer, Klatschreporter und Redakteure von Boulevardblättern haben wohl gestern Abend Sibel Kekilli zum ersten Mal angezogen gesehen? Wie viele haben sich längst die DVDs besorgt, wie viele werden sie demnächst auf den Pornokanälen der Vier-Sterne-Hotels zu Gesicht bekommen? (…)

Nunja. Lust hin, Geld her: Gummibärchen jedenfalls verordnet sich jetzt – sagen wir mal sechs Monate Spiegelabstinenz. Versprochen!
**) Geistige Gummibärchen: ist eine lose Folge über die Poesie des Medienspeak.

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