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Veröffentlicht am 16. August 2003 von rekalisch
Das «Poem über den Laut» [von Andrej Bely] ist ein genialisches Kompilat, in dem angelesenes Wissen und beiläufige Assoziationen, dichterische Einbildungskraft und missionarischer Eifer, philologische Akribie und philosophische Spekulation sich zu einer wahrhaft glossolalischen Wortflut vereinigen, die Relikte – Laute, Silben, Wörter, Wortverbindungen – aus gut einem Dutzend lebender und toter Sprachen wie selbstverständlich mit sich führt. Der Leser ist mit einer sinfonischen Dichtung konfrontiert, die nicht primär verstanden, sondern sinnlich wahrgenommen werden will im Hinhören auf ein ur- oder universalsprachliches Raunen, das weit mehr von der Klanglichkeit der Wörter als von deren Begrifflichkeit bestimmt ist und getragen wird.
Mit der «Glossolalie» reiht er sich ein in jene hintergründige Phalanx von «Sprachverrückten», zu der, unter vielen andern Autoren, auch Swedenborg und Wölfli, Chlebnikow und Roussel gehören.
Felix Philipp Ingold, NZZ 16.8.03
Andrei Belyi: Glossolalie. Poem über den Laut. Russische Originalfassung mit deutscher und englischer Übersetzung. Mit Anmerkungen und einer Einführung von Thomas R. Beyer. Herausgegeben von Taja Gut. Pforte-Verlag, Dornach 2003. 263 S. mit zahlr. Abb., Fr. 56.-.
Kategorie: Rußland, RussischSchlagworte: Adolf Wölfli, Andrei Belyi, Emanuel Swedenborg, Felix Philipp Ingold, Raymond Roussel, Welimir Chlebnikow
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