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Veröffentlicht am 22. Mai 2003 von rekalisch
In seiner Heimatstadt Linz ist am 8.Mai der Dichter Heimrad Bäcker einen Tag vor seinem 78. Geburtstag gestorben. Die Methoden konkreter Dichtung hat er weiter getrieben als mancher andere, die Menge des Hervorgebrachten ist aber insofern ungefähr gleich geblieben wie bei den weniger gründlichen Kollegen, weil er den eitlen Stolz auf die Methoden weggelassen hat.
Weglassen war überhaupt seine größte Kunst. Während aber andere, etwa in der Wiener Gruppe, schon Jahrzehnte vor ihm aus Allerweltsbüchern so viel ausgeschwärzt haben, dass endlich die ersehnten putzigen Einzelteile übrig blieben, von keiner Banalität erlöst, hat Bäcker es verstanden, aus den Schriftzeugnissen des Holocaust Sätze, Wendungen, einzelne Wörter herauszuschneiden, an denen in der Vereinzelung blitzartig erfahrbar wird, was in dem längeren Dokument halb verschüttet bleibt, weil der bloße, vor sich hin trottende Zusammenhang und der sich fortzeugende Behördenjargon den Leser betäuben und die Wirklichkeit der Vernichtung genrehaft überpolstern. So entstanden seine Sezier-Bücher Nachschrift und Nachschrift II. / Schuldt, Die Zeit 22.5.03
Kategorie: Österreich, Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Heimrad Bäcker, Schuldt
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