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Veröffentlicht am 5. April 2002 von rekalisch
Poes «nevermore», verkündet im epochalen Gedicht «The Raven», präludierte dann den dunklen Refrain für alle lyrischen Nachtwanderer der Moderne.
Nach über hundertjähriger Abwesenheit taucht nun der «riesige amerikanische Rabe» Poes am Nachthimmel der neuen Gedichte Wolfgang Hilbigs wieder auf. Und es kommt zur Begegnung zweier «schwarzer Mystagogen», die ihre Seelenverwandtschaft im Gefühl des Selbstverlusts entdecken. Der «Nevermore»-Rabe Poes und das lyrische Ich Hilbigs bewegen sich im gleichen Element – in einer «Dunkelzone», jenem Grenzbereich von Traum und Wachbewusstsein, von Dämmerung und Halblicht, der seit je das Lebenselixier der Hilbig’schen Helden bildet.
Schon einmal, in einem frühen Gedicht aus dem Jahr 1981, hatte Hilbig den «schmutzigen gesträubten Raben» Poes als Wahrzeichen für seine eigenen literarischen Imaginationen adoptiert. In «Bilder vom Erzählen», dem Titelgedicht seines neuen Gedichtbandes, ersehnt sich nun Hilbigs lyrisches Alter Ego vom Raben die Einweihung «in das Sakrament der Finsternis». …
Das von der Jury des Peter-Huchel-Preises ausgezeichnete Buch war bei der Staufener Preisverleihung jedoch nur als Phantom präsent. Denn der S. Fischer Verlag hat Hilbigs «Bilder vom Erzählen» nur als bibliophile Sonderausgabe in einer Kleinstauflage verbreitet, die seit Monaten vergriffen ist. Damit ist der absurde Fall eingetreten, dass einer der wichtigsten Gedichtbände der letzten Jahre dem Markt entzogen bleibt. / Michael Braun, Basler Zeitung 5.4.02
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Edgar Allan Poe, Michael Braun, Wolfgang Hilbig
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