Septembertag

Ursula Krechel

(* 4. Dezember 1947 in Trier, lebt in Berlin)

Narkose eines blaugehimmelten Septembertages

Eines blauen Tages stand ich voller Glück
unter einem Baum, von dem die Eicheln sprangen
ein krummbeiniger Köter schnüffelte an der Hinterlassenschaft
eines anderen Hundes. Und in der Wäscherei
entschuldigte sich die gestandene, hocherhitzte Frau
für die Verzögerung, es gab eine betriebliche Schulung
Bügeln und Stärken und das Rechnungswesen acht Stunden lang.
All das schien sehr normal, die Fenster standen offen
flügelweit und breit. Die Zwillinge schrien in Stereo
bis die Kinderfrau jedem einen Apfelschnitz gab
an dem sie lutschten. Ein Rettungshubschrauber ratterte in der Luft.
All dies schien sehr normal, mehr noch, als hätte jemand
du vielleicht oder ein schüchterner Glückspilz
mit einem großäugigen Würfel die richtige Zahl getroffen.

Aus: Ursula Krechel: Jäh erhellte Dunkelheit. Gedichte. Salzburg und Wien: Jung und Jung, 2010, S. 56

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