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Heute vor 400 Jahren wurde Johann Georg Albinus (oder Albini) in Unternessa im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt geboren. Anders als die drei Jahre ältere Generationsgenossin Sibylla Schwarz hat er sich einen Namen gemacht in der Dichtermännerwelt. Man nennt ihn auch Johann Georg Albinus den Älteren in Abgrenzung zu seinem Sohn, den er auch Johann Georg nannte und der auch ein Dichter wurde – Johann Georg Albinus der Jüngere (1659-1714). Der Vater war Pastor und schrieb geistliche und weltliche Gedichte, der Sohn wurde ein durchaus weltlicher Schriftsteller und gab u.a. nachgelassene Gedichte von Paul Fleming heraus. Bei den identischen Namen konnte es nicht ausbleiben, dass die Werke des Sohnes manchmal dem Vater zugeschrieben wurden. Oder vielleicht auch umgekehrt. Heute habe ich ein Gedicht des älteren Albinus herausgesucht. Geistliche Gedichte müssen nicht allemal steif und ehrwürdig sein. Sibylla Schwarz wusste das auch und gab wie Albinus gelegentlich dem poetischen Affen Zucker, dass es krachte. So auch Albinus – kein Wunder, es geht um die Hölle. Es heißt aber „Folterung“ (das war ja die Generation, die bis Mitte 20 nur Krieg kannte).
Die Schreibweise folgt dem Original (man muss manchmal zweimal hinsehen, ob es „prahlen“ oder „prallen“ heißen soll oder ob „Keulen“ in der letzten Zeile Substantiv oder Verb ist).
Johann Georg Albini der Ältere
(* 6. Märzjul. / 16. März 1624greg. in Unternessa; † 25. Maijul. / 4. Juni 1679greg. in Naumburg (Saale))
Folterung
Rauß ihr Geister in der Höllen /
Tretet an die Folter stellen
Schleppet / schlaget / reist und beist /
Rücket / rauffet / kratzt und schmeist
Brennet alle Fackeln an /
Werffet her den Drachen Zahn /
Mit Gifft auffgelauffnen Molchen /
Stost mit euren Feuer Dolchen /
Durch die überrusten Hölen /
Schnappt ihr Teuffel nach den Seelen /
Hir ist weder Rast noch Ruh /
Höllen-Schlaf entweiche du /
Auff O ihr erglüten Zangen /
Last nichts an einander hangen /
Foltert / Poltert / zehrt / und ränckt /
Trücket / zücket / dehnt und schwenkt /
Tytius* der Vogt der Drachen /
Regelt auff den schwartzen Rachen.
Die Sturme die brausen
Die Fluten die sausen /
Die Faunen die rasen /
Die Hencker die blasen
Die Furien lachen /
Die Drachen die wachen /
Die Donner die pralen /
Die Wetter die strahlen /
Die Blitze die fallen /
Die Bränder** die knallen /
Die Funcken die fliegen /
Die Nächte die siegen /
Die Rosse die rasseln /
die Reder die brasseln /
Die Klüffte die zittern /
Die Steine die splittern /
Die Wespen die summen /
Die Geister die brummen /
Die Geyer die girren /
Die Reyher die irren /
Die Schlangen die spielen /
Die Kröten die wühlen /
Die Armen die heulen /
Die Teufel die Keulen.
*) Titius ist eine Figur in Dantes Hölle, die wie Prometheus an einen Felsen geschmiedet und dem Geier ausgesetzt ist.
**) Vielleicht dies:
Bränder, 1) (Kriegsw.), so v.w. Zündlicht; 2) so v.w. Zünder; daher Bränderkitt, so v.w. Zünderkitt; 3) (Kohlenbr.), so v.w. Brand 4). Quelle: Pierer’s Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857,
Aus: Schwund- und Kirchenbarock (Barocklyrik Band 3), hrsg. von Herbert Cysarz. Leipzig: Reclam, 1937, S. 224f. Erstdruck: A & O. Quaal der Verdammten Betrachtet / Erwogen Durch Johann Georg Albini v. Weissenfels im Jahr 1653.
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