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Veröffentlicht am 3. August 2015 von lyrikzeitung
Der Band Laut und Luise genießt den Status eines unangefochtenen Klassikers. Was aber wäre, wenn das Büchlein ausgerechnet heute, am 90. Geburtstag Jandls, zum ersten Mal erschiene? Es würde, so steht zu befürchten, von niemandem rezensiert. Lyrikbände werden von den Kritikern der überregionalen Presse kaum noch angegriffen. Zu groß scheint das Risiko, sich in den Augen einschlägig Bewanderter zu disqualifizieren. Moderne Gedichte, so heißt es, müssten erst mühsam entziffert werden. Jandl vermeidet genau das, was einer als „dunkel“ und „hermetisch“ verschrienen Lyrik im Urteil der Allgemeinheit so schlecht zu Gesicht steht.
Er reißt die Sprachfenster auf und sorgt für Durchlüftung. Er bricht die Poesie auf deren einfachste Elemente herunter. Jandls Dichtkunst ist demokratisch. Sie zeigt, woraus unsere Annahmen über die Welt zuallererst gemacht sind: aus Sprache. Die entsteht im Mund. Oft stellt sich für den Artikulierenden schon die Barriere der Zähne als unüberwindliches Hindernis heraus: „thechdthen jahr / thüdothdbahnhof / thechdthen jahr / wath tholl / wath tholl / der machen“, heißt es dazu in dem herzzerreißenden Adoleszenzgedicht 16 jahr. / Ronald Pohl, Der Standard
Kategorie: Österreich, DeutschSchlagworte: Ernst Jandl, Ronald Pohl
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