37. Bei Rumi in Konya

(Woche der türkischen Poesie)

Konya war in seldschukischer Zeit Sommerresidenz (im Winter zog man ans freundlichere Mittelmeer). Die, mindestens, Halbmillionenstadt, wahrscheinlich sind es viel mehr, wird uns als konservativ beschrieben, und man sieht, daß alle Frauen verschleiert sind und sieht so viele schwarze Ganzverkleidete wie sonst nur in Deutschland. („Die haben wir alle zu euch geschickt“, sagt Orhan).

Der heilige Paulus war hier, später Friedrich Barbarossa und Marco Polo. Vor allem aber Rumi, der große persische Mystiker. 1207 oder wahrscheinlich ein paar Jahre früher wurde er im heutigen Afghanistan geboren. Er war der Sohn eines berühmten Gelehrten, der den Ehrennamen „Sultan der Gelehrten“, Sultan al-Ulema, erhielt. Ob auf der Flucht vor den Mongolen oder wegen wissenschaftlicher Neider gingen Vater und Sohn nach Anatolien. Eigentlich hieß er Muhammad, daraus wurde Mawlana Jalal Al-Din (Jellaladin) Al-Rumi. Rumi heißt Anatolien, Mawlana (Mewlana) heißt sovielwie „Edelmann“, heute aber, lesen wir, ist das Wort ganz auf den Dichter und Mystiker übergegangen. Mawlana ist Rumi. Noch heute wird er in seiner Stadt Konya verehrt. Wir haben es gesehen. Das von Rumis Sohn gegründete Kloster des Ordens der Tanzenden Derwische, obwohl von Atatürk verboten und in ein Museum verwandelt, ist noch heute ein Wallfahrtsort. Keineswegs nur Touristen, vielleicht mehr noch Einheimische und vor allem Frauen sehen wir ehrfürchtig durch die Hallen wandeln. Hier ist er begraben, ein riesiger, schräg aufgestellter Sarkophag bezeichnet die Stelle. Es ist aber viel zu voll, um in Ruhe zu schauen. Schon sind wir vorbeigedrängt. Im Nebenraum eine Glasvitrine, darin ein großes prächtiges Buch, das wie ein Koran aussieht, aber es ist Rumis großer Diwan. Er schrieb Persisch, aber seine Gedichtsammlung, 43.000 Verse, enthält auch Texte in arabischer, türkischer und griechischer Sprache. Das Exemplar in Konya, vor dem wir stehen, gilt als ältestes erhaltenes. Mehr ein Heiligtum als ein Gedichtbuch. Wir sehen eine Frauenhand, die zärtlich über das Glas streicht. – Im nächsten Raum wieder ein Auflauf. Schwarzvermummte ältere Frauen, die eine Glasvitrine küssen. (Fotografieren und Filmen ist hier verboten). Gleich daneben freilich hält eine verschleierte junge Frau ein Handy ans Ohr. Es dauert ein Weilchen, bis wir auf der anderen Seite der Vitrine stehen, auf der ein Schild tatsächlich den „Bart des Propheten“ verheißt. Um es lesen zu können, muß ich meinen profanen Vollbart auf einen halben Meter der Reliquie nähern. Ich war beim Barte des Propheten! Über Rumi später mehr.

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