104. Gefühlvolle Freunde

Na bitte, geht auch anders:

Die Verleihung des Brandenburgischen Literaturpreises 2009 am Samstagnachmittag im Club Charlotte des Kabaretts Obelisk verlief in vollständiger Eintracht und belegte nachdrücklich, dass die schreibende Zunft nicht zwangsläufig eine Ansammlung missgünstelnder Neider ist. / Märkische Allgemeine 19.10.

„Viel Lyrik und viel Gefühl“ prägten nach dem Bericht die Veranstaltung, und so wurde beschlossen, den Preis im nächsten Jahr der Lyrik zu widmen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich den gefühlvollen Abend in einem Salon mit dem ehemaligen NVA-Offizier Walter Flegel verbringen möchte (der nach der „Wende“, jetzt mal in Anführungsstrichen, weil ich den von Krenz & Co. eingeleiteten Teil meine, Gedichte über Moselweine und Rügensche Landschaften schrieb). Vorher bevorzugte er kraftvollere Sujets wie diese:

  • Wenn die Haubitzen schießen, Berlin 1960
  • Der Regimentskommandeur, Berlin 1971
  • Der Junge mit der Panzerhaube

(Just diese drei Titel fehlen allerdings in seiner Werkauswahl im Literaturportal). Wikipedia ist hierin exakter:

Nachdem er 1953 die Reifeprüfung abgelegt hatte, ging er zur Kasernierten Volkspolizei. Er besuchte eine Offiziersschule der im Aufbau begriffenen Nationalen Volksarmee in Dresden und war ab 1956 Artillerieoffizier. 1957 gehörte er zu den Begründern des Zentralen Literaturzirkels der NVA; in den folgenden Jahren leitete er Zirkel schreibender NVA-Soldaten. Von 1960 bis 1963 studierte er am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ in Leipzig. Von 1963 bis 1973 leitete er das Bezirksklubhaus der NVA in Potsdam, von 1973 bis 1986 war er Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Instituts der DDR in Potsdam. Seit 1985 war er als Oberstleutnant der Reserve freier Schriftsteller. Nach der Wende wurde er Geschäftsführer des Literatur-Kollegiums Brandenburg in Potsdam.

Walter Flegel ist Verfasser von Romanen, Erzählungen, Jugendbüchern und Lyrik, wobei seine frühen Werke stark von seinen Erfahrungen als Berufsoffizier der NVA geprägt sind.

Walter Flegel leitet den Verein Brandenburgisches Literatur-Kollegium, der den Preis verleiht. Beim Namen des Preises stutzte ich allerdings und mußte Wikipedia konsultieren, das auch hier genau informiert. Ich erinnerte mich richtig. Ein Preis mit dem gleichen Namen wurde 1991 bis 2000 von couragierten jungen Leuten des Brandenburgischen Literaturbüros in Potsdam verliehen. Die Liste der Preisträger ist ehrenwert:

* 1991 Fritz Rudolf Fries
* 1992 Helga Schütz
* 1993 Wolfgang Hilbig
* 1994 Adolf Endler
* 1995 Imre Kertész
* 1996 Günter de Bruyn
* 1997 Helga M. Novak
* 1999 Christa Reinig
* 2000 Hanns-Josef Ortheil

Damals, Mitte der 90er, gab es Unmut bei einheimischen Autoren. Irgendwie (Sparmaßnahme? Feindliche Übernahme? Sachdienliche Hinweise an…) haben sie’s dann geschafft. Seit 2001 vergibt Flegels Heimatverein den Preis – mit viel Gefühl, wie wir lasen.

L&Poe berichtete im Dezember 2007, Ausschnitt:

„Brandenburgs größte Literaturvereinigung“ scheint eine Versammlung von (N)ostalgikern und Unbelehrbaren zu sein, wenn der Bericht in der Märkischen Allgemeinen halbwegs vollständig informiert. Zitat:

Walter Flegels (geboren 1934) lyrisches Ich findet sich im Sonettenkranz „Mein Orplid“ selbst und Freunde, die nicht nach Schuld fragen; Christa Müller (geboren 1936) fasst in schöne Verse, dass sie „Verrat und Dummheit“ wieder siegen sah; sie verleiht ihrer politischen Enttäuschung mit dem Wortungetüm „Beigetretenwordensein“ Ausdruck. Hermann Otto-Lauterbach (Jahrgang 1926) berichtet über die „medial exekutierte Gauckjagd auf lebende wie verstorbene Schriftsteller des Gewesenen Landes“ …

Walter Flegel war ein schreibender Offizier, der im Militärverlag der DDR Bücher wie „Wenn die Haubitzen schießen“ oder „Der Regimentskommandeur“ veröffentlichte. Dann wurde er zivil und schrieb über Moselwein und die schöne Insel Rügen. Und natürlich „UNTER DER SCHLINGE. Der Weg eines NVA-Offiziers, der als Ehrloser aus der Kaserne getrieben wurde“ und „Freunde, die nicht nach Schuld fragen“ – wessen auch immer, woran auch immer.

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