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Seine Sudelblätter „Tarzan vom Prenzlauer Berg“ waren sein erfolgreichstes Werk; die Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 1981 bis 1983 vergnügten die Leser und machten ihn nach der Wende einem breiteren Publikum bekannt; „Nebbich. Eine deutsche Karriere“ hieß sein jüngster Band mit autobiographischen Texten und Prosafragmenten, der 2005 erschien. 2007 veröffentlichte der Wallstein Verlag „Neunundsiebzig kurze Gedichte aus einem halben Jahrhundert“ unter dem Titel „Krähenüberkrächzte Rolltreppe“ (Endler, Adolf: Krähenüberkrächzte Rolltreppe).
Die DDR war für Endler eine Gaunergesellschaft, im Vergleich zu Nazi-Deutschland recht harmlos, trotzdem aber ein „ganz mieser Polizeistaat“. Die Surrealisten, Dadaisten und Futuristen interessierten ihn am meisten, von der DDR-Geschichte hatte er genug. Mit Vergnügen nahm er aber die Einschätzungen des ostdeutschen Geheimdienstes in seine Prosa auf: „Der IM schätzt ein, daß die Art des Vortrags von Endler sehr gut war, weil er sehr akzentuiert sprach und wie ein Schauspieler mit deutlicher kabarettistischer Tendenz las. Während der Veranstaltung nahm er Alkohol zu sich.“ Oder: „Am Äußeren des Endler ist derzeitig auffallend, daß er am linken Ohr einen pfenniggroßen Ohrring trägt.“ …
Seit 2005 war er Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Doch trotz der späten Ehrungen und Preise sah er die Vorstellungen bestätigt, die er einst als Jungkommunist vom Kapitalismus hegte: Experimentelles werde heute kaum noch gedruckt; Lyrik kaum gelesen.
Zuletzt lebte er etwas abseits in Pankow an der Grenze zum Wedding, den er wegen der proletarischen Atmosphäre mochte. Pankow sei tot, umziehen werde er aber nur noch endgültig, nicht mehr zu Lebzeiten. Der Tod beschäftigte ihn viel, seine regelmäßigen Todessehnsüchte behandelte er früher mit Alkohol, denn schon bei Freud sei zu lesen gewesen, dass die Proleten ihre Komplexe mit Alkohol kurierten. Am Tod machte ihm nur Angst, dass seine Frau dann zurückbleibe. „Das Alter ist ein Schlachtfeld“, hatte er wegen seiner vielen Krankheiten oft geäußert. Am Sonntag ist Adolf Endler in Berlin gestorben. / Falko Hennig, FAZ
Nach Endlers Ausschluss aus dem Schriftstellerverband 1979 aufgrund seiner Protestbeteiligungen gegen die Ausbürgerung Biermanns durften die ostdeutschen Verlage, bis auf den von ihm selbst als korrupt bezeichneten Gedichtband „Akte Endler“, von diesem Autor überhaupt nichts mehr veröffentlichen.
Seine Werke fanden dennoch immer ihre Leser, sei es, dass er im Westen bei Rotbuch oder in einigen Handpressenexemplaren veröffentlichen konnte, sei es, dass Endler in Berlin auf privaten Wohnungslesungen (die Orte lesen sich wie ein interner Stadtplan) seine Gemeinde fand. Wolfgang Hilbig schrieb ihm: „Ich habe nach deinen Büchern stets wie nach dem berühmten Strohhalm gegriffen und von ihnen mich lange Zeit förmlich ernährt“. / Cornelia Jentzsch, FR 3.8.
Mehr: Die Zeit / Mitteldt. Zeitung / Süddeutsche Zeitung / Spiegel / Märkische Allgemeine / Badische Zeitung / DLR /
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