Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Es spricht für die kulturelle Unterentwicklung in unserem Lande, wenn der gegenwärtig beste Lyriker Kubas im deutschen Sprachraum erst jetzt nach seiner Verurteilung zur Kenntnis genommen wird. Lediglich in der Anthologie Der Morgen ist die letzte Flucht. Kubanische Literatur zwischen den Zeiten, herausgegeben von Thomas Brovot und Peter B. Schumann (Berlin: edition diá 1995) sind zwei Gedichte von Rivero übersetzt. In der Geschichte der lateinamerikanischen Literatur im Überblick (Stuttgart: Reclam 1999) von Hans-Otto Dill ist er mit einigen Zeilen bedacht.
So steht es in einem Artikel von Martin Franzbach im neuen Freitag (04-2004). Rivero sitzt im Gefängnis Canaleta, einem Gefängnis „maximaler Härte“ mit verschärften Haftbedingungen, über 400 Kilometer von Havanna entfernt in Haft, verurteilt zu 20 Jahren Haft wegen „Verschwörung“. Im Text u.a. dieses Gedicht:
Ein tropisches Unwetter, ein Dampfschiff in der Abdrift
Eine Serie von Erderschütterungen
Der plötzliche Tod des Ersten Posaunisten
Der Musikkapelle
Einer Schule in Lima.
Der Selbstmord eines Mannes ohne Ausweispapiere
Der sich in der Einsamkeit eines Palmenhains erhängt
Zurück läßt er einen Zettel, darauf steht mit Bleistift geschrieben:
Ihr kennt meinen Mörder genau.
Eine Gefühlsregung.
Zwei Betrunkene, die um Mitternacht singen
Oder der Oktober mit all seinen Narben
Und seiner Neutralität von Wolke und Alge.
Ein Foto von Cartier Bresson
Das im Westen des Landes kursiert
Und verboten wird, ohne daß Oriente es sieht.
Neun Schimmel
Und der Pik Bube.
Ein Naturphänomen
Mit dem Groll des Flusses
Und eine Frau im weißen Kleid
Auf der Reise des Wassers.
Etwas muß kommen und uns erlösen
Von den Erlösern.
Im Netz:
Fallbeispiel Raúl Rivero (Reporter ohne Grenzen)
IFEX über seine Haftbedingungen (engl.)
cubafacts: Artikel von R. Rivero in amerikanischen Zeitungen
Guerilla News Network
Das letzte Gedicht in der Freiheit (span.)
Mehr Gedichte auf Spanisch 1 / 2 / 3 /
Artikel von Rivero über den kubanischen Dichter Heberto Padilla (span.)
Raulrivero.com (span.)
Ein Artikel aus der russischen „Prawda“ über das Urteil gegen Rivero (engl.)
Poèt maudit der kubanischen Revolution (span.)
Cuba Free Press
Raúl Rivero Poesiepreis gestiftet (span.)
Hier der vollständige Text des Gerichtsurteils (span.) – Daraus ein kleines Detail – als gefundenes Gedicht!:
Für seine Artikel erhielt er Geld von „Reporter ohne Grenzen“; damit renovierte er sein Haus (mit Klimaanlage!); darin empfing er dann zahlreiche Menschen „von der gleichen Sorte“ – darunter von der amerikanischen Interessenvertretung, die ihm Instruktionen gaben, um das kubanische System zu zerstören; außer Instruktionen erhielt er unter anderem [hier in der Originalreihenfolge!]: Bücher und Informationsmaterial aus dem Internet, Computer, Telefone, Schreibmaschinen, Videokameras; in seinem Haus installierte er ein Telefon mit Fax, Anrufbeantworter und Speicher Marke Panasonic, ein digitales Grundig-Radio, 2 Computer, darunter 1 Laptop, 1 Scanner; auch erhielt er diverse CDs, Audio- und Videokassetten und große Mengen Bücher. Gesamtwert in Kuba: 20 Jahre.
Falls mir jemand den ganzen Text übersetzt – Zeit, Zeit! – würde ich ihn gern hier veröffentlichen
Als Nachtrag ein Fund des unübertroffenen Perlentauchers, das fast völlige Verbot des Internets in Kuba betreffend.
/ 18.1.04
Neueste Kommentare