Dylanesque 1:

Warum Martin Walser Bob Dylan nicht mag

Spät entdeckt – aber es ändert vieles. Nämlich ich gehörte zu denen, die den Tod eines Kritikers nicht für antisemitisch hielten, halten. Aber nun:

Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Werk Bob Dylans und dessen Rezeption in der bundesdeutschen Medienöffentlichkeit. Dabei ist mir aufgefallen, daß die Auseinandersetzung mit Dylan nicht selten antisemitisch aufgeladen ist. (…) Das erinnert mich auch an die Bemerkung eines westdeutschen Autors, der zurückgezogen in seinem Bodensee-Refugium lebt, von wo er sich gelegentlich mit Kommentaren zum Zeitgeist meldet. Er, der seine Worte besonders behutsam, nach meinem Geschmack behäbig zu setzen pflegt, fragte mich, von meinen Beobachtungen und Betrachtungen zu Dylans achtsiebzigerer (sic) Tour offenbar gelangweilt, plötzlich nicht ohne einen aggressiven Unterton, was eigentlich an diesem „herumzigeunernden Israeliten“ Besonderes wäre. (…)
Ich war verblüfft, und ich war verunsichert. Sollte das ein Witz sein? War es ein Zitat? Wieso diese Emphase? (…) Nein, es sollte kein Witz sein, und es war auch kein Zitat. Es war Walsers ureigene Sprachschöpfung. Was sie an diesem „herumzigeunernden Israeliten“ finde, habe er auch schon seine von Bob Dylan begeisterte Tochter … gefragt. Als ich ihm schließlich vorhielt, er sei Antisemit, wobei noch immer ein Fragezeichen in meiner Vorhaltung anklang, antwortete Walser lachend und selbstgefällig, das habe ihm auch Habermas schon vorgeworfen. / Güner Amendt, Jüdische Allgemeine 25.5. 2001

/ 31.12.03

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