Du im Gehorchen und Befehlen schwach

Von Herbert Eulenberg habe ich in meiner Bibliothek nur ein paar Gedichte in Anthologien. Jetzt ist ein dickes Buch dazugekommen, gesammelte lyrische und dramatische Dichtungen auf 820 Seiten. Gefunden in der Grabbelkiste des Antiquariats Bruddenbooks, kein Schreibfehler, in, richtig: Lübeck, Preis 1 €. (Eine schöne Sammlung Gedichtbände haben sie da im Laden.)

Die lyrischen Dichtungen Eulenbergs beginnen mit drei längeren, „Selbstbildnis“ überschriebenen Gedichten, das erste von 1906, das dritte von 1924. Aus dem dritten ein Auszug, den Kriegsdienst betreffend.

Herbert Eulenberg 

(* 25. Januar 1876 in Mülheim am Rhein; † 4. September 1949 in Düsseldorf-Kaiserswerth)

Aus: Drittes Selbstbildnis

Ich seh dich noch, unglücklichster Soldate,
In deinem grauen schlichten Landsturmrock.
Das Grüßen schon, daß ich es jetzt verrate,
War dir beschwerlich. Wie ein banger Bock
Gingst du entsetzt, wenn sich ein Höhrer nahte,
Und salutiertest, linkisch wie ein Stock,
Erfreut, wenn es vorbeiging ohne Krach,
Du im Gehorchen und Befehlen schwach.

Ich liege noch mit dir in der Kaserne
Nebst fünfzig andern in dem gleichen Raum
Und gehe noch beim Schein der Hoflaterne –
Man sah einander wie die Schatten kaum —
Mit groben, schweren Stiefeln zur Zisterne.
Es graute bleiweiß an des Himmels Saum.
Und mit Geräusper, Husten, Fluch und Knurrn
Begann der Tag und endete mit Murrn.

Mit vierzig Jahren wardst du eingezogen
Zum Kriegsdienst noch. Man schrieb mit blauem Stift
Dir auf die nackte Brust, schwach eingebogen,
Wie einem Hammel, den das Schlachtlos trifft,
Roh eine Nummer auf, 's ist nicht gelogen.
Ich löschte mühsam später erst die Schrift
Von meiner Haut, eh ich mit Pappkarton
Nach Vorschrift dir gefolgt zur Garnison.

Schwer feierlich wurdst du dort eingekleidet
Mit Helm, Tornister, Rock und Hos' und Schuh.
Von Anfang an war dir der Zwang verleidet.
Und wie ein Sträfling ging es nachts zur Ruh.
Ein Dichter ist ein Tier, das einsam weidet,
Was treibt ihr ihn der lauten Herde zu!
Die Vorgesetzten ließen kalt mich gehn,
Nur aus dem Volk konnt mancher mich verstehn.

Mein deutsches Volk, ich liebe dich wie einer,
Beging ich auch für dich nicht Massenmord.
Ich lernte dich erkennen wohl wie keiner,
Als man mich zu dir stieß, vom Reichtum fort,
Geduzt von jedem als ein ganz Gemeiner.
Du tatst mir nichts zuleide, auf mein Wort,
Mein Volk, als ich, feldgrau zu dir geschart,
Ein armes Luder deinesgleichen ward.

Es war, als sei ich neu zur Welt gekommen,
Da ich, durch nichts geschieden und getrennt,
Zur Masse kam, aus meinem Kreis genommen,
In dem man mich „Hochwohlgeboren" nennt.
Ich hatte ein Gefühl noch halb beklommen,
Da grüßte mich wie Licht am Firmament
Im „Du" , das ich und jeder zu mir sprach,
Ein Morgenrot vor neuem Menschentag.

Zwar wurde bald mir schon der Star gestochen.
Ich merkte, Kameradschaft wuchs nicht viel.
Der lange Krieg hat Glut und Schwarm zerbrochen,
Und mancher war längst tot, bevor er fiel.
Die Selbstsucht mußte jeden unterjochen
Zum Schluß in diesem wüsten Würfelspiel.
Mir gab als herrlichste Reminiszenz
Die Zeit den besten Freund, er heißt: Hans Frentz.

Aus: Herbert Eulenberg: Lyrische und dramatische Dichtungen. Stuttgart: J. Engelhorns Nachf., 1925, S. 32-34

Herbert Eulenberg (25. Januar 1876 in Mülheim am Rhein; † 4. September 1949 in Düsseldorf-Kaiserswerth) war ein deutscher Schriftsteller und kämpferischer Humanist. Dem Anpassungsdruck während der Zeit des Nationalsozialismus widersetzte er sich erfolgreich. https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Eulenberg

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