Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Zum Geburtstag des türkischen Dichters Nâzım Hikmet ein Gedicht mit einem Kommentar von Peter Gosse. Gosses Essayband, aus dem ich es habe, gibt keine Quellen an und ich habe keine Werkausgabe zur Hand. Deshalb weiß ich nicht mal, wer es übersetzt hat. Es mag heute so stehenbleiben.
Nâzım Hikmet
(* 15. Januar 1902 in Thessaloniki; † 3. Juni 1963 in Moskau)
Heute haben sie mich das erste Mal
In die Sonne hinausgelassen.
Ohne mich zu rühren stand ich da.
Danach setzte ich mich mit Ehrfurcht auf die Erde,
meinen Rücken lehnte ich an die Wand.
In diesem Moment dachte ich
weder an das Fallen der Wellen noch an Streit
noch an Freiheit, noch an meine Frau:
Die Erde war, die Sonne war, ich war.
Dies hatte Hikmet vor Jahren geschrieben, bevor er aus der Türkei in die Sowjetunion entkam. Und dort, Ende der 1950er Jahre, stand er da (im von uns, einigen Studenten, gegründeten, alsbald ziemlich namhaften Moskauer „Klub der Enthusiasten“ – Ehrenburg trug, ohne Papier vor sich und gleichwohl beeindruckend druckreif, aus seinen Memoiren vor, Wosnessenski betrat, tatsächlich an der Hand geführt vom wunderbar warmherzigen Michail Swetlow, erstmals eine Bühne, estrada – wie die Russen sagen) – Hikmet also wies auf die Frau, eine üppige Blondine („Das Haar von der Sonnenfarbe des Strohs“, wie er selig-souverän mitteilte) neben ihm auf dem Stuhl – es mochte nun nicht mehr die des obigen Gedichts sein, und er sprach. „Ich bin sehr glücklich auf ihr!“ Auf – war es mangelhafte Russischkenntnis oder, hoffentlich, zarte Kritik an damaliger sowjetischrussischer Prüderie? Der übervolle Saal tat, als hätte er es überhört.
Aus: Peter Gosse, Über das allmähliche Verfertigen von Welt im Dichten. Essays mit sechs Zeichnungen von Volker Stelzmann. (Edition Ornament Band 12). Bucha bei Jena: quartus-Verlag, 2013, S. 32
Peter Gosse absolvierte 1956 – 62 ein Studium der Hochfrequenztechnik am Institut für Energetik in Moskau.
ich lese das hier im reader:
Sehr glücklich
In diesem Moment dachte ich weder an das Fallen der Wellen noch an Streit noch an Freiheit, noch an meine Frau: Die Erde war, die Sonne war, ich war.
finde es aber nicht im posting?
LikeLike
ah, da steht es ja doch! am ende des gedichtes. danke. 🙂
LikeLike
Wie im Posting? Im Browser auf lyrikzeitung.com? Dort steht der komplette Text. Können Sie ein Bildschirmfoto schicken?
LikeLike
Das Gedicht trägt im Original den Titel „Bugün Pazar“ (Heute ist Sonntag)
Bugün pazar.
Bugün beni ilk defa güneşe çıkardılar.
Ve ben ömrümde ilk defa gökyüzünün
bu kadar benden uzak
bu kadar mavi
bu kadar geniş olduğuna şaşarak
kımıldamadan durdum.
Sonra saygıyla toprağa oturdum,
dayadım sırtımı duvara.
Bu anda ne düşmek dalgalara,
bu anda ne kavga, ne hürriyet, ne karım.
Toprak, güneş ve ben…
Bahtiyarım…
LikeGefällt 1 Person
Guten Morgen,
das ist jedenfalls nicht die Übersetzung von Gisela Kraft in
Nazim Hikmet, Die Namen der Sehnsucht,
Ammann, Zürich 2008,
wo das Gedicht „Heute ist Sonntag“ (1938) heißt.
LikeGefällt 1 Person