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So heißt ein Essay von Jan Kuhlbrodt, Auszug:
Es ist keinesfalls so, dass ein Begriff wie Neobiedermeier für die gesamte gegenwärtige lyrische Produktion Geltung beanspruchen kann. Ohnehin gibt es keinen Begriff, der das könnte. Er fasst lediglich eine Strömung innerhalb des Gesamtfeldes zusammen, nicht das gesamte Feld.
Dennoch gibt es eine Tendenz in der Wahrnehmung von Lyrik und deren Bepreisung, die eine solche Kategorisierung zulassen könnte, und er zieht eine Parallele zu außerlyrischen gesellschaftlichen Bewegungen. Aber auch diese repräsentieren nicht das gesamte Feld.Mir geht es also um das Einhäkeln von Bäumen und Fahrbahnbegrenzungen, das in den letzten Jahren in Mode gekommen ist. Die Ästhetik der Berliner Republik also, die sich mehr und mehr in vermeintlichen oder wirklichen Belanglosigkeiten gefällt. Klar sind die Stricknadelartisten eine Minderheit, werden aber in der medialen Wahrnehmung zu einer bestimmenden Strömung. An dieser Stelle muss man fragen, wie sich der Zugang zur öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung gestaltet, wie also und was ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit gelangt. Denn das scheint mir auch die weitere Entwicklung zu beeinflussen. Die Künstlerinnen und Künstler entsprechen nämlich nicht dem romantischen Bild der genialischen Einzeltäter, sondern eher dem, was in der Soziologie Mitglied einer sozialen Gruppe genannt wird. Die Angleichung in Kleidungsstil und Habitus, die Unterwerfung unter herrschende Moden bestimmen doch in zunehmenden Maße das Bild und führt meiner Meinung nach auch zu einer Angleichung der Produkte.
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