Paul Scheerbart: Groglied

In meinen Adern brennt der stramme Grog;
Pompöser Kohl durchrast mein Eingeweide.
Die kalte Nase steckt im Weltgehirn;
Die heißen Hengste führ ich auf die Weide.
Jetzt, Erdenbürger: Leide! Leide! Leide!


Ist das ein humoristisches Gedicht? Nur einige Begradigungen, ein paar Korrekturen in der burlesken Formulierung, und wir hätten einen jener Texte, wie sie kurze Zeit später von der neuen Generation der Expressionisten geschrieben wurden. Wie sein »Indianerlied« zeigt, konnte Scheerbart durchaus radikal und elementar (und wiederum »moderner als seine Zeit«) formulieren: »Murx den Europäer! / Murx ihn! / Murx ihn! Murx ihn! / Murx ihn ab!«


Beide Gedichte habe ich aus Paul Scheerbarts »Katerpoesie« in einer Ausgabe, die selbst kurios zu nennen ist: Das dünne Bändchen erschien 1963 bei Goverts mit dem pompösen Aufdruck »Neue Bibliothek der Weltliteratur«. Dann wurde es offenbar von der Welt vergessen, bis ein findiger Verleger einige Exemplare aufspürte, sie mit einem durchsichtigen Umschlag versah, diesen mit der trotzigen Antwort: »jetzt bei Klaus G. Renner 1977« bedruckte, und das Buch erneut auf den Markt brachte. / Hans Thill, Listen, Oktober 2003

Hans Thill, geboren 1954 in Baden-Baden, lebt als Lyriker und Übersetzer in Heidelberg. Im Herbst erschien sein Gedichtband »Kühle Religionen« im Verlag Das Wunderhorn.

(1978 brachte der Ostberliner Eulenspiegel Verlag sämtliche Gedichte Scheerbarts in einem bibliophilen Bändchen (illustriert von Horst Hussel) unter dem Titel „Katerpoesie und Die Mopsiade“ heraus.)

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