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1940 erschien in einem Hamburger Verlag ein seltsam unpolitisches Gedicht, das an den Beginn des Krieges wenige Monate zuvor, am 1. September 1939, heute vor 85 Jahren, erinnert. Das Wort Krieg kommt darin gar nicht vor, dafür aber, nur dürftig im Reimwort versteckt, der frühe Tod: Heldentod (siehe Bildpostkarte nach dem Lied von Wilhelm Hauff).
Wolfgang Frank
(* 12. Juni 1909 in Lübeck; † 19. Juli 1980 ebenda)
Abschied
(1. September 1939)
Noch einmal jetzt gekostet
den süßen, heißen Trunk der Welt!
Noch einmal jetzt getoastet
auf das, was steht und das, was fällt.
Reicht mir die letzte Schale!
Gib deinen Mund! Die Nacht ist lang –
Gib mir zum letzten Male
den innigsten Zusammenklang.
Für wen willst du dich sparen?!
Dein künftiger Mann ist morgen tot.
Schon schmettern jubelnde Fanfaren
das alte Lied vom Morgenrot...
Die Welt ist ganz von Sinnen;
ihr hilft kein Mensch, kein Gott!
So laßt uns denn beginnen:
Wir legen sie in Schutt und Schrott.
Und wolltest du mich fragen:
Warum? Mein Gott, warum?!
Ich kann dir's auch nicht sagen!
Das Schwert ist immer blind und stumm
Der alte Gott da droben
brach uns den Stab.
Ich will das Leben loben,
solange ich’s hab.
Will Sonn' und Wolken schauen,
soviel ich kann.
Auch über Trümmern blauen
die Himmel dann und wann.
Drum einmal noch gekostet
den süßen, heißen Trunk der Welt!
Zum letzten Mal getoastet
auf das, was steht und das, was fällt!
Aus: Wolfgang Frank, Gedichte aus zehn Jahren. Hamburg: Hans Köhler, 1940, S. 62f

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